Arbeit und Arbeitsfaktoren

Der Produktionsfaktor Arbeit

„Arbeiten Sie, um zu leben oder leben Sie, um zu arbeiten?“ Wie auch immer Ihre Antwort auf diese Frage lauten mag, sie wird viel darüber verraten, was Arbeit für Sie bedeutet. Vielleicht gehören Sie zu den Menschen, die in ihrer Arbeit Erfüllung suchen und finden. Ein Leben ohne Arbeit käme dann wohl für Sie kaum in Frage. Möglicherweise träumen Sie aber schon seit Jahren vom berühmten „Sechser“ im Lotto, von Palmen, Strand und ewigem, süssen Nichtstun. Für die meisten Menschen liegt die Wahrheit vermutlich irgendwo dazwischen. Mal macht die Arbeit Spass und schafft Zufriedenheit, mal ist sie unerträglich und mühselig. Denn Arbeit und das, was sie für uns bedeutet, hat viele Gesichter.

Arbeit als Mittel zum Zweck

Das Lexikon definiert Arbeit als „zielgerichtetes, bewusstes Handeln des Menschen zum Zweck der Existenzsicherung und Bedürfnisbefriedigung“. Arbeit bildet dementsprechend also die Grundlage unserer Existenz, egal welcher Art sie ist. Gearbeitet wird demnach auch, seit Menschen „existieren“. Das kulturelle Verständnis von Arbeit unterliegt jedoch einem kontinuierlichen Wandel. In der Antike war Arbeit für den freien Bürger Unglück, Jammer und Mühsal und in der Regel den Sklaven „vorbehalten“. Wer nicht zur Arbeit gezwungen war, nannte das was er tat Müssiggang. Die mittelalterliche Herkunft des deutschen Wortes „Arbeit“ zeigt an, dass dieses Verständnis auch später noch dominant war: das althochdeutsche Wort „arabeit“ steht synonym für „Mühe“ und „Plage“.

Mit der Reformation im 16. Jahrhundert zeichnet sich ein Wandel ab. Der Sinn der Arbeit geht über die blosse Zweckerfüllung hinaus. Arbeit wird zum Lebensinhalt. Wer arbeitet, tut dies nicht mehr nur zur Existenzsicherung, sondern auch um „gut“ zu sein. Die bürgerlichen Revolutionen, die Industrialisierung und der damit verbundene Wertewandel in den westlichen Gesellschaften formen schliesslich ein weiteres Gesicht der Arbeit: Sie wird zum rationalen Element, wird nach Effizienz und Effektivität bewertet. Der Mensch als arbeitendes Individuum muss sich arbeitsteiligen Prozessen unterordnen. Produktivität geht über alles, Selbstfindung und Spass an der eigenen Arbeit spielen nur eine untergeordnete Rolle.

Die Grundversorgung steht nicht mehr im Vordergrund

Ähnliches gilt auch für das Arbeitsverständnis der Gegenwart. Und doch scheint sich ein entscheidender Wandel abzuzeichnen: der Selbstversorgungsaspekt der Arbeit steht nicht mehr unmittelbar im Vordergrund. Soziale Sicherungssysteme des Staates gewährleisten auch dann, wenn Einzelne nicht arbeiten können, eine Grundversorgung. Die Gemeinschaft aller Erwerbstätigen macht dies möglich. Jeder Einzelne steuert seinen Teil zur soliden Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme bei. Voraussetzung dafür ist jedoch die annähernde Vollbeschäftigung innerhalb der betreffenden Gesellschaft. Nur dann ist der Staat in der Lage, die Grundsicherung einer vorübergehend arbeitslosen Minderheit zu gewährleisten. Der unmittelbare Zwang zur Arbeit scheint so aber aufgehoben zu sein.

Arbeit soll auch Erfüllung sein

Unter solchen Bedingungen kann sich auch das psychologische Verständnis von Arbeit wandeln. Der heutige Trend geht vom blossen Broterwerb zur Aufgabe mit tieferer Bedeutung. Immer mehr definiert sich der Mensch über seine Arbeit. Nicht nur das Konto, sondern auch die Seele soll glücklich werden. Viele Menschen suchen sogar ausschliesslich in der Arbeit ihre Selbstverwirklichung. Für sie ist Arbeit Grundlage gesellschaftlicher Anerkennung. Sie wird zu Sinn und Lebensinhalt, soll möglichst „Erfüllung“ und „Berufung“ sein: Man strebt deshalb eine Tätigkeit an, die die eigenen Talente zum Vorschein bringt, wünscht sich Traumberufe wie Pilot, Schauspieler oder Sportler.

Arbeitslosigkeit grenzt aus

Wenn Arbeit Lebenssaufgabe und Lebensinhalt ist, kommt auch der dauerhaften Arbeitslosigkeit eine andere Bedeutung zu. Oft stellt sie weniger eine ökonomische Bedrohung, als eine Bedrohung der sozialen Integration und der psychischen Stabilität dar. In einer Gesellschaft, in der vieles über Arbeit, Leistung und Wert definiert wird, fühlt sich derjenige, der auf den ersten Blick keine Leistung bringt, schnell ausgegrenzt. Langzeitarbeitslose verlieren mit ihrer Arbeit dementsprechend auch oft den direkten Lebensbezug und das Gefühl nützlich und wertvoll zu sein. Nur wenige hartgesottene Faulenzer können einer solchen psychischen Belastung auf Dauer freiwillig standhalten.

Spezialisierung und Weiterbildung

Die moderne Arbeitswelt steht mehr und mehr unter dem Schlagwort der Spezialisierung. Eine Entwicklung, die auch ihre Schattenseiten hat: Wer für den einen Arbeitsplatz wie massgeschneidert erscheint, kann möglicherweise nur schwer auf einen anderen vermittelt werden. Ständige Weiterbildung und die Schaffung zusätzlicher Qualifikationen werden so unerlässlich. Glaubt man den Prognosen der Wissenschaft, wird sich diese Entwicklung auch in der Zukunft fortsetzen. Menschen haben dann nicht mehr nur einen Beruf, sondern mehrere. Vielseitigkeit und Spezialwissen müssen dazu unter einen Hut gebracht werden. Lebenslangens Lernen ist notwendig. Eine Beschränkung auf einen Beruf wird dann jedoch schwieriger. Denn Arbeit, die einem ständigen Wandel unterliegt, ist mehr Persönlichkeitsmerkmal als Beruf. Probleme werden, wie auch schon in der Gegenwart, jene haben, die aus unterschiedlichen Gründen beim Tempo der Entwicklung nicht mithalten können.

Freiwilligenarbeit

Die freiwillige, unbezahlte Arbeit ist ein nicht zu unterschätzender Faktor. In der Schweiz arbeiten die Menschen im Durchschnitt knapp 5 Stunden pro Monat, ohne bezahlt zu werden. In Deutschland und Österreich wird diese ehrenamtliche Tätigkeit auch Freiwilligendienst oder Arbeitsdienst genannt.

Hauptsächlich wird in Vereinen viel ehrenamtlich gearbeitet. Im Sport als Trainer, bei der Pflege von Angehörigen oder hilfsbedürftigen Bekannten, in der Natur, in der Entwicklungshilfe oder bei Migranten.

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