Bildung der Ackererde 1 – Charles Darwin

Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Register

Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer

Erstes Kapitel.

Lebensweise der Würmer.

Beschaffenheit der von ihnen bewohnten Orte. – Können lange unter Wasser leben. – Sind Nachttiere. – Wandern des Nachts umher. Liegen häufig dicht an den Mündungen ihrer Röhren und werden daher in grosser Zahl von Vögeln zerstört. – Ihr Bau. – Sie besitzen keine Augen, können aber zwischen Licht und Dunkelheit unterscheiden. – Ziehen sich, wenn hell beleuchtet, schnell zurück, nicht durch eine Reflextätigkeit. – Vermögen der Aufmerksamkeit. – Empfindlichkeit gegen Wärme und Kälte. Sind vollständig taub. – Sind empfindlich für Schwingungen und für Berührung. – Schwaches Geruchs vermögen. – Geschmack. – Geistige Eigenschaften. – Natur der Nahrung; sind omnivor. – Ihre Verdauung. Die Blätter werden, ehe sie verschluckt werden, mit einer Flüssigkeit von der Natur des pankreatischen Saftes befeuchtet. – Verdauung ausserhalb des Magens. – Struktur der Kalk führenden Drüsen. – Kalkige Konkretionen, in dem vorderen Drüsenpaar gebildet. – Die kalkige Masse ist zunächst ein Exkret, dient aber an zweiter Stelle dazu, die während des Verdauungsprozesses erzeugten Säuren zu neutralisieren.

Regenwürmer sind unter der Form weniger Gattungen, welche äusserlich einander sehr ähnlich sind, über die ganze Erde verbreitet. Die britischen Arten von Lumbricus sind niemals monographisch beschrieben worden; wir können aber ihre wahrscheinliche Zahl nach denjenigen beurteilen, welche benachbarte Länder bewohnen. In Skandinavien finden sich nach der Angabe von EISEN [1] acht Arten; aber zwei von diesen bohren nur selten in der Erde und eine davon bewohnt sehr feuchte Orte, oder lebt selbst im Wasser. Wir haben es hier nur mit den Arten zu tun, welche Erde in der Form ihrer wie Darmausgüsse erscheinenden Exkremente auf die Oberfläche bringen. HOFFMEISTER sagt, dass die Arten in Deutschland nicht gehörig gekannt seien, gibt aber dieselbe Anzahl wie EISEN an, ausserdem aber noch einige scharf gezeichnete Varietäten [2].

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[1] Bidrag till Skandinaviens Oligochaetfauna. 1871.

[2] Die bis jetzt bekannten Arten aus der Familie der Regenwürmer. Braunschweig, 1845.

Regenwürmer finden sich in England an vielen verschiedenen Standorten ausserordentlich häufig. Man kann ihre Darmausgüsse in ganz ausserordentlicher Anzahl auf Angerflächen und Kreidedünen sehen, so dass sie beinahe die ganze Fläche bedecken, wo der Boden mager und das Gras kurz und dünn ist. Sie sind aber beinahe oder völlig so zahlreich in einigen von den London Parks, wo das Gras gut wächst und der Boden reich zu sein scheint. Selbst auf einem und demselben Felde sind die Würmer an einigen Stellen viel zahlreicher als an andern, ohne irgendeine sichtbare Verschiedenheit in der Beschaffenheit des Bodens. Sie sind äusserst häufig in gepflasterten Höfen dicht bei Häusern; und ein Fall wird angeführt werden, in welchem sie durch den Boden eines sehr feuchten Kellers gebohrt hatten. Ich habe Würmer in schwarzem Torfe auf einem sumpfigen Felde gesehen; sie sind aber äusserst selten oder fehlen vollständig in dem trockeneren, braunen faserigen Torfe, welcher von den Gärtnern so sehr geschätzt wird. Auf trockenen, sandigen oder kiesigen Strecken, wo nur Heide mit etwas Ginster, Farnkräuter, grobes Gras, Moos und Flechten wachsen, finden sich kaum irgendwelche Würmer. Aber in vielen Teilen von England wird, wo nur ein Fussweg eine Heide durchkreuzt, seine Oberfläche mit einem feinen kurzen Rasen bedeckt. Ob diese Veränderung in der Vegetation Folge davon ist, dass die höheren Pflanzen durch das gelegentliche Treten von Menschen und Tieren zerstört werden oder dass der Boden gelegentlich durch die Losung von Tieren gedüngt wird, weiss ich nicht [3]. Auf derartigen grasigen Fusswegen sind Wurmexkremente häufig zu sehen. Auf einer Heide in Surrey, welche sorgfältig untersucht wurde, fanden sich nur wenige Exkremente auf diesen Wegen, da wo sie stark geneigt waren; aber an den ebeneren Stellen, wo eine Schicht feiner Erde von den steileren Stellen herabgewaschen worden war und sich bis zu einer Mächtigkeit von einigen wenigen Zollen angehäuft hatte, waren Wurmexkremente äusserst zahlreich. Diese Stellen schienen von Würmern übervölkert zu sein, so dass sie gezwungen worden waren, sieh bis in die Entfernung einiger weniger Fuss von den begrasten Fusswegen zu verbreiten, und hier waren ihre Darmausgüsse zwischen der Heide aufgeworfen worden; aber jenseits dieser Grenze war nicht ein einziges Exkrement zu finden. Eine, wenn auch nur dünne Schicht feiner Erde, welche wahrscheinlich lange Zeit etwas Feuchtigkeit behält, ist, wie ich glaube, in allen Fällen zu ihrer Existenz notwendig; und das einfache Zusammendrücken des Bodens scheint in einem gewissen Grade günstig für sie zu sein, denn sie sind in alten Kieswegen und auf Fusswegen quer über Felder oft ungemein häufig.

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[3] Es ist sogar etwas Grund zur Annahme vorhanden, dass Druck faktisch das Wachstum des Grases begünstigt; denn Professor Buckman, welcher über sein Wachstum in dem Versuchsgarten des Royal Agricultural College viele Beobachtungen angestellt bat, bemerkt (Gardeners‘ Chronicle 1854, p. 619): „ein anderer Umstand bei der Kultur von Gräsern, einzeln oder in kleinen Flecken, ist die Unmöglichkeit, sie fest zu rollen oder zu treten, ohne welches kein Grasland sich gut halten kann“.

 

Unter grossen Bäumen sind während gewisser Zeiten des Jahres nur wenige Wurmexeremente zu sehen und dies ist augenscheinlich Folge davon, dass die Feuchtigkeit durch die zahllosen Wurzeln der Bäume aus dem Boden aufgesaugt worden ist; denn nach den starken Herbstregen kann man sehen, wie derartige Plätze mit Wurmexkrementen bedeckt sind. Obgleich die meisten Gehege und Wälder viele Würmer beherbergen, so war doch in einem Walde von hohen und alten Buchen in Knole Park, unter welchen der Boden von jeder Vegetation bar war, über weite Strecken hin nicht ein einziges Wurmexcrement selbst während des Herbstes zu finden. Nichtsdestoweniger waren auf einigen mit Gras bedeckten Lichtungen und Einsprüngen, welche durch diesen Wald durchgingen, Wurmexkremente äusserst zahlreich. Auf den Bergen von Nord-Wales und auf den Alpen sind, wie mir mitgeteilt worden ist, Würmer an den meisten Stellen selten; und dies dürfte vielleicht Folge der dichten Nähe der darunter liegenden Gesteine sein, in welche die Würmer während des Winters sich nicht einbohren können, um dem Erfrieren zu entgehen. Dr. MC INTOSH fand indessen Wurmexkremente in einer Höhe von 1500 Fuss auf dem Schiehallion in Schottland. Auf einigen Bergen in der Nähe von Turin von 2000 bis 3000 Fuss über dem Meer sind sie zahlreich, ebenso in einer bedeutenden Höhe in den Nilgiri-Bergen in Süd-Indien und auf dem Himalaya.

Regenwürmer müssen als Landtiere betrachtet werden, obgleich sie immerhin in einem gewissen Sinne halb Wassertiere sind, wie die anderen Glieder der grossen Klasse der Anneliden, zu welcher sie gehören. Mr. PERRIER fand, dass, wenn sie nur eine einzige Nacht der trockenen Luft eines Zimmers ausgesetzt wurden, dies sie tötete. Andererseits hielt er mehrere grosse Würmer nahezu vier Monate lang vollständig im Wasser eingetaucht am Leben [4]. Während des Sommers, wenn der Boden trocken ist, dringen sie in eine beträchtliche Tiefe ein und hören zu arbeiten auf, wie sie auch während des Winters tun, wenn der Boden gefroren ist. Würmer sind in ihrer Lebensweise nächtlich, und man kann sie des Nachts in grosser Zahl umher kriechen sehen, gewöhnlich aber noch mit ihren Schwänzen in ihren Röhren steckend. Durch die Ausdehnung dieses Teils ihrer Körper und mit Hülfe der kurzen leicht rückwärts gebogenen Borsten, mit denen ihre Körper bewaffnet sind, halten sie sich so fest, dass sie selten aus dem Boden herausgezogen werden können, ohne in Stücke zerrissen zu werden [5]. Während des Tages bleiben sie in ihren Röhren, ausgenommen zur Paarungszeit, wo diejenigen, welche benachbarte Höhlen bewohnen, mit dem grösseren Teil ihrer Körper eine oder zwei Stunden lang am frühen Morgen herauskommen. Kranke Individuen, welche meistens von den parasitischen Larven einer Fliege heimgesucht werden, müssen auch ausgenommen werden, da sie während des Tages umher wandern und an der Oberfläche sterben. Nach starkem Regen, welcher auf trockenes Wetter folgt, sind zuweilen tote Würmer in ausserordentlicher Anzahl auf dem Boden liegen zu sehen. Mr. GALTON teilt mir mit, dass bei einer solchen Gelegenheit (März 1881) auf einem vier Schritt breiten Wege in Hyde Park im Mittel ein toter Wurm auf zwei und einen halben Schritt der Länge nach kam. An einer Stelle zählte er in einer Länge von sechssehn Schritten nicht weniger als 45 tote Würmer. Nach den oben mitgeteilten Tatsachen ist es nicht wahrscheinlich, dass diese Würmer ertrunken sein können; denn wenn sie ertrunken wären, würden sie in ihren Röhren umgekommen sein. Ich glaube, sie waren bereits krank und ihr Tod wurde nur dadurch beschleunigt, dass der Boden überflutet wurde.

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[4] Ich werde oft Veranlassung haben, Mr. Perriers ausgezeichnete Abhandlung „Organisation des Lombriciens terrestres“ in den Archives de Zool. expérim. Tom. 3, 1874, p. 372, zu zitieren. C.J. Morren (De Lumbrici terrestris hist. nat. 1829, p. 14) fand, dass die Würmer im Sommer ein Untertauchen von fünfzehn bis zwanzig Tagen vertrugen, dass sie aber im Winter bei einer solchen Behandlung starben.

[5] Morren, De Lumbrici terrestris hist. nat. 1829. p. 67.

 

Es ist oft gesagt worden, dass unter gewöhnlichen Verhältnissen gesunde Würmer niemals oder sehr selten vollständig ihre Röhren des Nachts verlassen; dies ist aber ein Irrtum wie WHITE von Selborne schon vor langer Zeit wusste. Nach sehr starkem Regen ist am Morgen die feine Schicht Schmutz oder des sehr feinen Sandes auf Kieswegen häufig deutlich durch ihre Spuren gezeichnet. Ich habe dies von August bis Mai, beide Monate eingeschlossen, bemerkt und es kommt wahrscheinlich während der beiden übrigen Monate des Jahres ebenfalls vor, wenn sie nass sind. Bei diesen Gelegenheiten waren überall nur sehr wenig tote Würmer zu sehen. Am 31. Januar 1881 waren nach einem lang anhaltenden und ungewöhnlich heftigen Frost mit viel Schnee, sobald Tauwetter eintrat, die Wege mit unzähligen Spuren gezeichnet. Bei einer Gelegenheit konnte man fünf Spuren zählen, welche einen Raum von nur einem Quadratzoll kreuzten. Zuweilen konnte man sie bis zu oder von den Mündungen der Röhren in den Kieswegen verfolgen, auf Entfernungen von zwischen 2 oder 3 bis zu 15 Yards. Ich habe niemals zwei Spuren gesehen, die zu derselben Röhre führten; auch ist es nicht wahrscheinlich nach dem was wir sofort über ihre Sinnesorgane sehen werden, dass ein Wurm sich zu seiner Röhre zurückfinden könnte, nachdem er sie einmal verlassen hat. Sie verlassen allem Anscheine nach ihre Röhren zu einer Entdeckungsreise und finden auf diese Weise neue Wohnorte.

MORREN gibt an [6], dass Würmer häufig stundenlang beinahe bewegungslos dicht unter der Mündung ihrer Röhren liegen. Ich habe gelegentlich dieselbe Tatsache bei Würmern beobachtet, welche ich in Töpfen im Hause hielt, so dass beim Hinabsehen in ihre Röhren ihre Köpfe so eben noch gesehen werden konnten. Wenn die ausgeworfene Erde oder der Abfall über den Röhren plötzlich entfernt wird, so sieht man sehr oft, wie sich das Ende des Wurmkörpers rapid zurückzieht. Diese Gewohnheit, nahe an der Oberfläche zu liegen, bringt ihre Zerstörung in ungeheurem Grade mit sich. Während gewisser Zeiten des Jahres ziehen an jedem Morgen die Drosseln und Amseln auf all den Lichtungen über das ganze Land hin, eine erstaunliche Anzahl Würmer aus ihren Höhlen; und dies könnten sie nicht tun, wenn sie nicht dicht an der Oberfläche lägen. Es ist nicht wahrscheinlich, dass die Würmer zum Zwecke frische Luft zu atmen in dieser Weise handeln, denn wir haben gesehen, dass sie eine lange Zeit unter Wasser leben können. Ich glaube, sie liegen wegen der Wärme der Oberfläche nahe, und dies besonders des Morgens; und wir werden später finden, dass sie häufig die Mündungen ihrer Röhren mit Blättern auskleiden, allem Anscheine nach, um zu verhindern, dass ihre Körper mit der kalten feuchten Erde in dichte Berührung kommen. Es wird angegeben, dass sie ihre Röhren während des Winters vollständig verschliessen.

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[6] De Lumbrici terrestris hist. nat. etc. p. 14.

 

Abbildung 1

Bau. – Über diesen Gegenstand müssen ein paar Bemerkungen hier mitgeteilt werden. Der Körper eines grossen Wurmes besteht aus von 100 bis 200 beinahe zylindrischen Ringen oder Segmenten, von denen jedes mit kleinen Borsten versehen ist. Das Muskelsystem ist gut entwickelt. Würmer können ebenso gut rückwärts wie vorwärts kriechen und können sich mit Hülfe ihres fest haftenden Schwanzes mit ausserordentlicher Geschwindigkeit in ihre Röhren zurückziehen. Der Mund liegt am vor dem Ende des Körpers und ist mit einem kleinen Vorsprung versehen (Lappen oder Lippe, wie er verschiedentlich genannt worden ist), welcher zum Ergreifen gebraucht wird. Innen findet sich hinter dem Munde ein starker Schlundkopf, wie er in der beistehenden Zeichnung (Fig. 1) dargestellt ist, welcher, wenn das Tier isst, vorgestülpt wird, und dieser Teil entspricht nach der Angabe von PERRIER dem vorstülpbaren Rüssel oder der Proboscis anderer Anneliden. Der Schlundkopf führt in die Speiseröhre; am unteren Teil finden sich auf jeder Seite von dieser drei Paare grosser Drüsen, welche eine überraschende Menge kohlensauren Kalks absondern. Diese kalkführenden Drüsen sind in hohem Grade merkwürdig, denn bei keinem anderen Tiere ist etwas ihnen ähnliches bekannt worden. Ihr Gebrauch wird erörtert werden, wenn wir vom Verdauungsprozess handeln werden. In den meisten Arten ist die Speiseröhre vor dem Kaumagen in einen Kropf erweitert. Der Kaumagen ist mit einer glatten, dicken chitinigen Haut ausgekleidet und von schwachen Längs-, aber starken Quermuskeln umgeben. PERRIER sah diese Muskeln in energischer Tätigkeit; und die Zerkleinerung der Nahrung muss, wie er bemerkt, hauptsächlich durch dieses Organ bewirkt werden, denn Würmer besitzen keine Kiefer oder Zähne irgendwelcher Art. Sandkörner und kleine Steinchen von 1/2O bis wenig mehr als 1/10 Zoll Durchmesser sind meistens in ihren Kaumägen und Därmen zu finden. Da es sicher ist, dass Würmer viele kleine Steinchen verschlingen, unabhängig von denen, welche sie beim Aushöhlen ihrer Röhren verschlucken, so ist es wahrscheinlich, dass dieselben wie Mühlsteine zum Zermahlen ihrer Nahrung dienen. Der Kaumagen öffnet sich in den Darm, welcher in einem geraden Verlauf zum After am hinteren Ende des Körpers geht. Der Darm bietet ein merkwürdiges Gebilde dar, die Typhlosolis oder, wie es die alten Anatomen nannten, einen Darm innerhalb des Darms; CLAPAREDE hat gezeigt [7], dass derselbe aus einer tiefen longitudinalen Einfaltung der Darmwände besteht, durch welches Mittel eine grosse absorbierende Fläche gewonnen wird.

Das Zirkulationssystem ist gut entwickelt. Würmer atmen mit ihrer Haut, da sie keinerlei spezielle Respirationsorgane besitzen. Die beiden Geschlechter sind in einem und demselben Individuum vereinigt; aber es paaren sich zwei Individuen zusammen. Das Nervensystem ist ziemlich gut entwickelt und die zwei beinahe zusammenfliessenden Gehirnganglien liegen sehr nahe am vorderen Ende des Körpers.

Sinne. – Den Würmern fehlen Augen, und Anfangs glaubte ich, dass sie für Licht vollständig unempfänglich seien; denn die in der Gefangenschaft gehaltenen wurden häufig mittelst eines Lichtes und andere im Freien mittelst einer Laterne beobachtet; und doch wurden sie nur selten beunruhigt, obschon sie äusserst furchtsame Tiere sind. Auch haben andere Personen keine Schwierigkeit gefunden, mit denselben Mitteln Würmer des Nachts zu beobachten [8].

Indessen gibt HOFFMEISTER an [9], dass die Würmer mit Ausnahme einiger wenigen Individuen für Licht äusserst empfindlich sind; doch gibt er zu, dass in den meisten Fällen eine gewisse Zeit für seine Einwirkung notwendig ist. Diese Angaben veranlassten mich, die in Töpfen gehaltenen Würmer in vielen auf einander folgenden Nächten zu beobachten; dieselben waren mittelst Glasplatten gegen Luftzüge geschützt. Ich näherte mich den Töpfen sehr leise, um keine Erschütterung des Bodens zu veranlassen. Wenn unter solchen Um-

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[7] Histologische Untersuchungen über die Regenwürmer in: Zeitschrift für wiss. Zoologie, 19. Bd. 1869. p. 611.

[8] So z.B. Mr. Bridgman und Mr. Newman (The Zoologist) Vol. 7. 1849. p. 2576), ebenso einige Freunde, welche in meinem Interesse Würmer beobachteten.

[9] Familie der Regenwürmer. 1845. p. 18.

ständen Würmer mit einer Bull’s-eye-Laterne beleuchtet wurden, in welcher Scheiben von dunkelblauem und rotem Glase waren, welche das Licht so stark abschwächten, dass sie nur mit ziemlicher Schwierigkeit gesehen werden konnten, so wurden sie durch eine solche Lichtmenge durchaus nicht affiziert, wie lange sie derselben auch ausgesetzt werden mochten. Soweit ich es beurteilen konnte, war das Licht heller als das des Vollmonds. Seine Farbe brachte allem Anscheine nach keine Verschiedenheit im Resultat hervor. Wenn sie mit einem Lichte oder selbst mit einer hellen Paraffinlampe beleuchtet wurden, so wurden sie gewöhnlich nicht gleich Anfangs affiziert. Auch wurden sie es nicht, wenn das Licht abwechselnd zugelassen und ausgeschlossen wurde. Zuweilen benahmen sie sich indessen hiervon sehr verschieden; denn sobald das Licht auf sie fiel, zogen sie sich mit beinahe augenblicklicher Geschwindigkeit in ihre Löcher zurück. Dies ereignete sich vielleicht einmal unter einem Dutzend Malen. Wenn sie sich nicht augenblicklich zurückzogen, so erhoben sie häufig das vordere sich verdünnende Ende ihres Körpers vom Boden, als ob ihre Aufmerksamkeit erregt wäre oder als wenn sie Überraschung fühlten, oder sie bewegten ihren Körper von einer Seite zur andern, als wenn sie nach einem Gegenstande tasteten. Es schien als wenn sie das Licht störte; ich zweifle, dass dies wirklich der Fall war, denn bei zwei Gelegenheiten blieben sie, nachdem ich mich langsam zurückgezogen hatte, eine lange Zeit so liegen, dass ihr vorderes Ende ein wenig aus den Mündungen ihrer Löcher hervorragte, in welcher Stellung sie bereit waren, sich augenblicklich und vollständig zurück zu ziehen.

Wenn das Licht einer Kerze mittelst einer grossen Linse auf das vordere Körperende konzentriert wurde, so zogen sie sich meist augenblicklich zurück; doch hatte dieses konzentrierte Licht vielleicht einmal unter einem halben Dutzend Versuchen keine Wirkung. Bei einer Gelegenheit wurde das Licht auf einen Wurm konzentriert, welcher in einer Schale unter Wasser lag und er zog sich augenblicklich in seine Höhle zurück. In allen Fällen brachte die Dauer des Lichtes, wenn es nicht ein äusserst schwaches war, einen grossen Unterschied im Resultate hervor; denn Würmer, welche vor einer Paraffinlampe oder einer Kerze dem Lichte ausgesetzt wurden, zogen sich ausnahmslos innerhalb fünf bis fünfzehn Minuten in ihre Höhlen zurück; und wenn am Abend die Töpfe beleuchtet wurden, ehe die Würmer herausgekommen waren, so erschienen sie gar nicht an der Oberfläche.

Nach den vorstehenden Tatsachen ist es offenbar, dass das Licht die Würmer durch seine Intensität und durch seine Dauer affiziert. Es ist nur das vordere Ende des Körpers, wo die Gehirnganglien liegen, welches durch das Licht beeinflusst wird, wie HOFFMEISTER anführt und wie ich bei vielen Gelegenheiten beobachtet habe. Wenn dieser Teil beschattet wird, so können andere Teile des Körpers voll beleuchtet werden und es wird keine Wirkung erzielt. Da diese Tiere keine Augen haben, so müssen wir annehmen, dass das Licht durch ihre Haut durchtritt und in irgendeiner Weise ihre Hirnganglien reizt. Anfangs erschien es mir wahrscheinlich, dass man die verschiedene Art und Weise, in welcher sie bei verschiedenen Gelegenheiten affiziert wurden, entweder durch den Grad der Ausdehnung ihrer Haut und die davon abhängende Durchsichtigkeit, derselben oder durch irgendeine besondere Art des Auffallens des Lichtes erklären könne; ich konnte aber keine derartige Beziehung entdecken. Eines war offenbar, nämlich: wenn die Würmer damit beschäftigt waren, Blätter in ihre Höhlen zu ziehen oder dieselben zu fressen und selbst während der kurzen Intervalle, während sie von ihrer Arbeit ausruhten, nahmen sie entweder das Licht nicht wahr oder achteten nicht darauf; und dies kam sogar vor, wenn das Licht durch eine grosse Linse auf sie konzentriert wurde. Ferner während sie sich begatten, bleiben sie ein oder zwei Stunden ausserhalb ihrer Röhren völlig dem Morgenlichte ausgesetzt; aber nach dem was HOFFMEISTER sagt, hat es den Anschein, als ob das Licht gelegentlich es verursache, dass sich gepaarte Individuen voneinander trennen.

Wenn ein Wurm plötzlich beleuchtet wird und wie ein Kaninchen in seine Höhle hinabschiesst, – um den von einem Freunde angewendeten Ausdruck zu gebrauchen – so werden wir zunächst darauf geführt, die Handlung als eine Reflextätigkeit anzusehen. Die Neigung der Gehirnganglien scheint gewisse Muskeln in einer ganz unvermeidlichen Weise zum Zusammenziehen zu veranlassen, unabhängig von dem Willen oder dem Bewusstsein des Tieres als wäre es ein Automat. Aber die verschiedene Wirkung, welche ein Licht bei verschiedenen Gelegenheiten hervorbringt, und besonders die Tatsache, dass ein Wurm, wenn er in irgendeiner Weise beschäftigt ist und auch in den Intervallen einer solchen Beschäftigung, was für eine Gruppe von Muskeln und Ganglien auch dabei ins Spiel gebracht worden sein mag, häufig des Lichtes nicht achtet, stehen der Ansicht entgegen, dass das plötzliche Zurückziehen eine einfache Reflextätigkeit ist. Wenn bei den höheren Tieren die gespannte Aufmerksamkeit auf irgendeinen Gegenstand zur Nichtbeachtung der Eindrücke führt, welche andere Gegenstände auf sie hervorbringen müssen, so schreiben wir dies dem zu, dass ihre Aufmerksamkeit dann absorbiert sei, und Aufmerksamkeit setzt das Vorhandensein einer Seele voraus. Jeder Jäger weiss, dass er Tiere, während sie grasen oder kämpfen oder sich den Hof machen, viel leichter beschleichen kann, als zu anderen Zeiten. Auch ist der Zustand des Nervensystems der höheren Tiere zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden: so erschrickt z.B. ein Pferd zu einer Zeit viel leichter als zu einer anderen. Der hier angewandte Vergleich zwischen den Handlungen eines der höheren Tiere und eines in der Stufenreihe so tief stehenden wie der Regenwurm, könnte weit hergeholt scheinen; denn wir legen damit dem Regenwurm Aufmerksamkeit und irgendeine geistige Fähigkeit bei. Nichtsdestoweniger kann ich keinen Grund sehen, die Richtigkeit eines solchen Vergleichs zu bezweifeln.

Obgleich man nicht sagen kann, dass die Würmer das Vermögen des Gesichts besitzen, so setzt sie doch ihre Empfindlichkeit für Licht in den Stand, zwischen Tag und Nacht zu unterscheiden; und sie entgehen hierdurch der ausserordentlichen Gefahr, welche ihnen von den vielen Tagtieren droht, die Jagd auf sie machen. Ihr Zurückziehen in ihre Höhlen während des Tages scheint indessen eine gewohnheitsgemässe Handlung geworden zu sein; denn Würmer, welche in Töpfen gehalten wurden, die mit Glasplatten bedeckt, (über welche Bogen schwarzen Papiers ausgebreitet waren,) und vor ein Nordostfenster gestellt wurden, blieben während der Tageszeit in ihren Höhlen und kamen jede Nacht heraus. Auch fuhren sie eine Woche lang fort, sich so zu benehmen. Ohne Zweifel dürfte ein wenig Licht zwischen den Glasplatten und dem geschwärzten Papier eingedrungen sein; wir wissen aber nach den Versuchen mit gefärbtem Glase, dass Würmer gegen eine geringe Lichtmenge indifferent sind.

Würmer scheinen für eine mässige strahlende Wärme weniger empfindlich zu sein, als für ein helles Licht; ich beurteile dies danach, dass ich zu verschiedenen Zeiten ein bis zum dunkelrot Glühen erhitztes Schüreisen in die Nähe einiger Würmer gebracht habe, in einer Entfernung, welche auf meiner Hand einen sehr merkbaren Wärmegrad verursachte. Einer von ihnen nahm gar keine Notiz davon; ein zweiter zog sich in seine Höhle zurück, aber nicht schnell; der dritte und vierte zogen sich schneller zurück und der fünfte so schnell wie möglich. Das Licht einer Kerze, welches durch eine Linse konzentriert wurde und durch eine Glasplatte trat, die die meisten Wärmestrahlen zurückhielt, verursachte meistens ein viel rapideres Zurückziehen als das erhitzte Schüreisen. Würmer sind für eine niedrige Temperatur empfindlich, wie daraus zu schliessen ist, dass sie während eines Frostes nicht aus ihren Röhren heraus kommen.

Würmer besitzen keinerlei Gehörsinn. Sie nahmen nicht die geringste Notiz von den durchdringenden Tönen einer Metallpfeife, welche wiederholt in ihrer Nähe hervorgebracht wurden; ebenso wenig von den tiefsten und lautesten Tönen eines Fagotts. Sie verhielten sich indifferent gegen Geschrei, wenn nur Sorgfalt angewendet wurde, dass sie der Atem nicht traf. Wenn sie auf einem Tisch, dicht bei den Tasten eines Klaviers gestellt wurden, welches so laut wie möglich gespielt wurde, so blieben sie vollkommen ruhig.

Obgleich sie für Schwingungen in der Luft, die für uns hörbar sind, unempfänglich sind, so sind sie doch äusserst empfindlich für Schwingungen in jedem festen Körper. Wenn die Töpfe, welche die zwei Würmer enthielten, die für den Klang eines Klaviers vollständig unempfindlich geblieben waren, auf dies Instrument gestellt wurden und der Ton c im Bassschlüssel angeschlagen wurde, so zogen sich Beide augenblicklich in ihre Löcher zurück. Nach einiger Zeit kamen sie wieder heraus, und als nun der Ton g=, über dem System im Violinschlüssel, angeschlagen wurde, so zogen sie sich wieder zurück. Unter ähnlichen Umständen in einer anderen Nacht fuhr ein Wurm rapid in seine Höhle, als ein sehr hoher Ton nur einmal angeschlagen wurde, ebenso der andere Wurm als das c im Violinschlüssel angeschlagen wurde. Bei dieser Gelegenheit berührten die Würmer die Seiten der Töpfe nicht, welche in Untertassen standen; die Schwingungen hatten daher, ehe sie die Körper der Würmer erreichten, durch den Resonanzboden des Klaviers, durch die Untertassen, den Boden des Topfes und die feuchte nicht sehr kompakte Erde zu dringen, auf welcher letzterer die Würmer, mit ihren Schwänzen in ihren Höhlen lagen. Sie offenbarten häufig ihre Empfindlichkeit, wenn der Topf in welchem sie lebten, oder der Tisch, auf welchem der Topf stand, zufällig unbedeutend angestossen wurde, sie erschienen aber weniger empfindlich für solche Erschütterungen als für die Schwingungen des Klaviers; auch ist ihre Empfindlichkeit für Erschütterungen zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden. Es ist häufig angegeben worden, dass, wenn der Boden geschlagen oder auf andere Weise zum Erzittern gebracht würde, die Würmer dann glaubten, dass sie von einem Maulwurf verfolgt würden und daher ihre Höhlen verliessen. Ich schlug den Boden an vielen Stellen, wo Würmer äusserst zahlreich vorhanden waren, aber nicht einer kam heraus. Wenn indessen der Boden mit einer Gabel umgegraben und unterhalb eines Wurms heftig aufgewühlt wird, so kriecht er häufig schnell aus seiner Höhle.

Der ganze Körper eines Wurms ist gegen Berührung empfindlich. Ein leiser Luftstoss aus dem Munde verursacht ein augenblickliches Zurückziehen. Die über die Töpfe gelegten Glasplatten schlossen nicht dicht und es genügte häufig, um ein rapides Zurückziehen zu veranlassen, durch die sehr engen, dabei offen bleibenden Spalten zu blasen. Sie nahmen zuweilen die Wirbel in der Luft wahr, welche durch das schnelle Entfernen der Glasplatten verursacht wurden. Wenn ein Wurm zuerst aus seiner Höhle herauskommt, so bewegt er meistens das bedeutend ausgedehnte vordere Ende seines Körpers in allen Richtungen von einer Seite zur anderen, augenscheinlich als ein Gefühlsorgan; und es ist auch, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, einiger Grund zur Annahme vorhanden, dass sie hierdurch in den Stand gesetzt werden, einen allgemeinen Begriff von der Form eines Gegenstandes zu erhalten. Von allen ihren Sinnen ist der des Gefühls, unter diesem Ausdruck auch die Wahrnehmung einer Schwingung mit einbegreifend. wie es scheint, der bei weitem am höchsten entwickelte.

Der Geruchssinn ist bei Würmern allem Anscheine nach auf die Wahrnehmung gewisser Gerüche beschränkt und ist schwach. Gegen meinen Atem waren sie völlig unempfindlich, so lange ich sehr ruhig auf sie atmete. Dies wurde deshalb versucht, weil es möglich schien, dass sie in dieser Weise vor der Annäherung eines Feindes gewarnt würden. Sie boten dieselbe Unempfindlichkeit gegen meinen Atem dar, während ich etwas Tabak kaute und während ich ein Bäuschchen Watte mit wenigen Tropfen von Mille-fleurs-Parfüm oder von Essigsäure in meinem Munde hielt. In Tabakssaft, in Mille-fleurs-Parfüm und in Paraffin getauchte Bäuschchen von Watte wurden mit Pinzetten gehalten und ungefähr innerhalb zwei oder drei Zoll von mehreren Würmern entfernt hin und her bewegt, aber sie nahmen keine Notiz davon. Bei einer oder zwei Gelegenheiten indessen erschienen, als Essigsäure auf die Bäuschchen gebracht worden war, die Würmer unbehaglich, und dies war wahrscheinlich eine Folge der Reizung ihrer Haut. Die Wahrnehmung solcher unnatürlicher Gerüche würde für die Würmer von keinem Nutzen sein; und da so furchtsame Geschöpfe beinahe sicher irgendein Zeichen der Wahrnehmung irgendeines neuen Eindrucks darbieten würden, so können wir schliessen, dass sie diese Gerüche nicht wahrnahmen. Das Resultat war verschieden, wenn Kohlblätter und Stückchen Zwiebel angewendet wurden, welches beides die Würmer mit viel Ergötzen verzehren. Kleine viereckige Stückchen von frischen und halb verwelkten Kohlblättern und von Zwiebeln wurden bei neun Gelegenheiten in meinen Töpfen ungefähr 1/4 Zoll tief in gewöhnlicher Gartenerde eingegraben, und sie wurden immer von den Würmern entdeckt. Ein Kohlstückchen wurde im Verlauf von zwei Stunden entdeckt und entfernt; drei waren es am nächsten Morgen; das ist also nach einer einzigen Nacht, zwei andere nach zwei Nächten und das siebente Stückchen nach drei Nächten. Zwei Stückchen Zwiebel waren nach drei Nächten entdeckt und entfernt. Stücke rohen Fleisches, was die Würmer sehr lieben, wurden eingegraben und waren innerhalb acht und vierzig Stunden nicht entdeckt, während welcher Zeit sie noch nicht faul geworden waren. Die Erde über den verschiedenen eingegrabenen Gegenständen, wurde meistens nur leicht niedergedrückt, so dass das Ausströmen irgendeines Geruchs nicht verhindert wurde. Bei zwei Gelegenheiten indessen wurde die Oberfläche ordentlich begossen und wurde dadurch etwas kompakt gemacht. Nachdem die Stückchen Kohl und Zwiebel entfernt worden waren, sah ich unter ihnen nach, ob die Würmer etwa zufällig von unten heraufgekommen wären; es fand sich aber keine Spur einer Röhre; und zweimal wurden die eingegrabenen Gegenstände auf Stanniolstückchen gelegt, welche aber nicht im mindesten aus ihrer Lage gebracht waren. Es ist natürlich möglich, dass die Würmer, während sie sich, mit ihren Schwänzen sich in den Röhren noch festhaltend, auf der Oberfläche des Bodens umherbewegten, ihre Köpfe in die Stellen hineingesteckt haben könnten, wo die oben erwähnten Gegenstände vergraben waren; ich habe aber nie gesehen, dass Würmer in dieser Weise gehandelt hätten. Einige Stücke von Kohlblättern und von Zwiebeln wurden zweimal unter sehr feinen eisenschüssigen Sand vergraben, welcher leicht niedergedrückt und ordentlich mit Wasser begossen wurde, so dass er sehr fest gemacht worden war, und diese Stücke wurden nie entdeckt. Bei einer dritten Gelegenheit wurde dieselbe Art Sand weder niedergedrückt noch begossen, und die Kohlstückchen waren nach der zweiten Nacht entdeckt und entfernt. Diese verschiedenen Tatsachen weisen darauf hin, dass die Würmer ein gewisses Geruchsvermögen besitzen und dass sie durch dies Mittel riechbare und viel verlangte Arten von Nahrung entdecken.

Es darf angenommen werden, dass alle Tiere, welche sich von verschiedenen Substanzen ernähren [10] den Sinn des Geschmacks besitzen, und es ist sicher bei den Würmern der Fall. Kohlblätter werden von den Würmern sehr geliebt und es scheint, als ob sie zwischen den verschiedenen Varietäten unterscheiden könnten; dies dürfte aber vielleicht eine Folge von Verschiedenheiten in deren Textur sein. Bei elf Gelegenheiten wurden ihnen Stücke der irischen Blätter einer gewöhnlichen grünen Varietät und der zum Einmachen benutzten roten Varietät gegeben, und sie zogen die grüne vor; die rote wurde entweder gänzlich vernachlässigt oder viel weniger benagt. Bei zwei anderen Gelegenheiten indessen schienen sie die rote Varietät vorzuziehen. Halb verweste Blätter der roten Varietät und frische Blätter der grünen wurden ungefähr gleichmässig angegriffen. Wenn Blätter vom Kohl, von Meerrettich (eine Lieblingsspeise) und von der Zwiebel zusammengegeben wurden, wurden die letzten immer und ganz deutlich vorgezogen. Blätter von Kohl, von der Linde, Ampelopsis, der Pastinake und dem Sellerie (Apium) wurden gleichfalls zusammengegeben, und diejenigen des Selleries wurden zuerst gefressen. Wenn aber Blätter von Kohl, Rüben, Beten, Sellerie, wilder Kirsche und Karotten zusammengegeben wurden, so wurden die zwei letzteren Arten, ganz besonders die der Karotten, allen übrigen vorgezogen, mit Einschluss derjenigen des Sellerie. Aus vielen Versuchen ging auch deutlich hervor, dass die Blätter der wilden Kirsche denen der Linde und des Haselstrauchs (Corylus) bedeutend vorgezogen wurden. Nach der Angabe von Mr. BRIDGMAN lieben die Würmer die halbverwelkten Blätter von Phlox verna ganz besonders [1O].

Stücke von Kohlblättern, von Blättern von Rüben, Meerrettich und Zwiebeln wurden während 22 Tagen auf den Töpfen gelassen, alle wurden angegriffen und mussten erneuert werden; aber während dieser ganzen Zeit wurden die Blätter einer Art Artemisia, des Salbei, Thymian und der Münze, die mit den eben genannten Blättern unter-

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[10] The Zoologist, Vol. 7. 1849. p. 2576.

mengt waren, völlig vernachlässigt, mit Ausnahme der Münzblätter, welche gelegentlich und sehr unbedeutend benagt waren. Diese letzteren vier Arten Blätter weichen in ihrer Textur in keiner den Würmern möglicher Weise unangenehm werdenden Weise ab; sie haben Alle einen starken Geschmack, dasselbe haben aber auch die vier zuerst erwähnten Blattarten; und die grosse Verschiedenheit im Resultat muss dem zugeschrieben werden, dass die Würmer dem einen Geschmack einen Vorzug vor dem anderen geben.

Geistige Eigenschaften. – Über diesen Punkt ist nur wenig zu sagen. Wir haben gesehen, dass Würmer furchtsam sind. Es dürfte bezweifelt werden, ob sie, wenn sie verletzt werden, so viel Schmerzen empfinden, wie sie durch ihre Windungen auszudrücken scheinen. Nach ihrer Gier für gewisse Futterarten zu urteilen, müssen sie sich des Genusses des Fressens erfreuen. Ihre geschlechtliche Leidenschaft ist stark genug, eine Zeit lang ihre Furcht vor dem Licht zu überwinden. Sie haben vielleicht eine Spur eines sozialen Gefühls; denn sie werden nicht gestört, wenn sie sich einander über die Körper wegkriechen und häufig liegen sie miteinander in Berührung. Nach der Angabe von HOFFMEISTER verbringen sie den Winter entweder einzeln oder mit anderen in eine Kugel zusammengerollt am Grunde ihrer Röhren [11]. Obgleich die Würmer in Bezug auf die verschiedenen Sinnesorgane so merkwürdig mangelhaft ausgerüstet sind, so schliesst dies doch nicht notwendig Intelligenz aus, wie wir nach solchen Fällen wie dem der LAURA BRIDGMAN wissen; und wir haben gesehen, dass sie, wenn ihre Aufmerksamkeit gefesselt wird, Eindrücke vernachlässigen, auf welche sie unter anderen Umständen geachtet haben würden; und Aufmerksamkeit weist auf das Vorhandensein einer Seele von irgendwelcher Art hin. Sie werden auch zu gewissen Zeiten viel leichter erregt als zu anderen. Sie führen einige wenige Handlungen instinktiv aus, d.h. sämtliche Individuen mit Einschluss der Jungen führen derartige Handlungen in nahezu derselben Manier aus. Dies zeigt sich in der Art und Weise, in welcher die Arten von Perichaeta ihre Exkremente auswerfen, so dass Türmchen gebildet werden; auch in der Art und Weise, in welcher die Röhren des gemeinen Regenwurmes glatt mit feiner Erde und oft mit kleinen Steinchen, und die Mündungen ihrer Röhren mit Blättern ausgekleidet werden. Einer der stärksten Instinkte ist das Verstopfen der Mündungen ihrer Röhren mit verschiedenen Gegenständen, und sehr junge Würmer handeln schon in dieser Weise. Ein gewisser Grad von Intelligenz scheint aber, wie wir in dem nächsten Kapitel sehen werden, bei dieser Arbeit dargeboten zu werden, – ein Resultat, welches mich mehr überrascht hat, als irgendetwas anderes in Bezug auf die Würmer.

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[11] Familie der Regenwürmer, p. 13.

 

Nahrung und Verdauung. – Die Würmer sind omnivor. Sie verschlingen eine enorme Menge Erde, aus welcher sie jede verdauliche Substanz, die dieselbe enthalten mag, ausziehen; aber auf diesen Gegenstand muss ich noch einmal zurückkommen. Sie verzehren auch eine grosse Anzahl halbverwelkter Blätter aller Arten, mit Ausnahme einiger weniger, welche einen unangenehmen Geschmack haben oder für sie zu zähe sind; ebenso Blattstiele, Blütenstiele und halb verwelkte Blühten Sie verzehren aber auch frische Blätter, wie ich nach wiederholten Versuchen gefunden habe. Nach der Angabe von MORREN [12] fressen sie Stückchen Zucker und Süssholz, und die Würmer, welche ich hielt, zogen viele Stückchen trockener Stärke in ihre Löcher; und ein solches grosses Stück hatte abgerundete Kanten in Folge der Einwirkung der aus ihrem Munde abgesonderten Flüssigkeit. Da sie aber oft Stückchen weicherer Steinarten, wie z.B. Kreide, in ihre Löcher ziehen, so möchte ich fast bezweifeln, ob sie die Stärke als Nahrungsmittel brauchten. Stücke von rohem und geröstetem Fleische wurden mehrere Male mit langen Nadeln in meinen Töpfen auf die Oberfläche der Erde befestigt und Nacht auf Nacht konnte man sehen, wie die Würmer an ihnen zerrten, wobei die Ränder der Stücken in ihren Mundhöhlen staken, so dass viel davon verzehrt wurde. Rohes Fett schien selbst rohem Fleische und jeder anderen Substanz, die ihnen vorgesetzt wurde, vorgezogen zu werden, und es wurde viel davon verzehrt. Sie sind Kannibalen; denn als die zwei Hälften eines toten Wurmes in zwei von den Töpfen gelegt wurden, wurden dieselben in die Wurmlöcher gezogen und benagt; soweit ich es aber beurteilen konnte, ziehen sie frisches Fleisch faulem vor, und insoweit weiche ich von HOFFMEISTER ab.

LEON FREDERICQ gibt an [13] dass die Verdauungsflüssigkeit der Würmer von derselben Natur ist, wie das Secret der Bauchspeicheldrüse

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[12] De Lumbrici terrestris hist. Dat. etc. p. 19.

[13] Archives de Zoologie expérim. T. 7. 1878. p. 394.

der höheren Tiere, und dieser Schluss stimmt vollkommen mit den Arten von Nahrungsmitteln überein, welche die Würmer konsumieren. Der pankreatische Saft emulgiert Fett, und wir haben soeben gesehen, wie gierig Würmer Fett verschlingen; er löst Fibrin auf, und Würmer fressen rohes Fleisch; er verwandelt Stärke in Traubenzucker mit wunderbarer Schnelligkeit, und wir werden sofort sehen, dass der Verdauungssaft der Würmer auf Stärke wirkt [14]. Sie leben aber hauptsächlich von halbverwelkten Blättern, und diese würden für sie nutzlos sein, wenn sie nicht die Cellulose, welche die Zellwände bildet, verdauen könnten; denn es ist bekannt; dass alle übrigen nahrhaften Substanzen beinahe vollständig aus den Blättern entfernt werden kurz ehe sie abfallen. Es ist indessen jetzt ermittelt worden, dass Cellulose, obschon der Magensaft der höheren Tiere nur sehr wenig oder gar nicht auf dieselben wirkt, vom pankreatischen Safte angegriffen wird [15].

Die halb verwelkten oder frischen Blätter, welche die Würmer zu verzehren beabsichtigen, werden von ihnen in die Mündungen ihrer Röhren bis in eine Tiefe von ein bis drei Zoll gezogen und dann mit einer von ihnen abgesonderten Flüssigkeit befeuchtet. Man hat angenommen, dass diese Flüssigkeit dazu diene, ihren Zerfall zu beschleunigen; aber eine grosse Zahl von Blättern wurde zweimal aus den Wurmröhren herausgezogen und viele Wochen lang in einer sehr feuchten Atmosphäre unter einer Glasglocke in meinem Arbeitssimmer gehalten; und die Teile, welche von den Würmern befeuchtet worden waren, zerfielen in keiner irgend deutlichen Weise schneller als die anderen. Wenn den Würmern, die in Gefangenschaft gehalten wurden, am Abend frische Blätter gegeben und dieselben früh am nächsten Morgen untersucht wurden, daher nicht sehr viele Stunden, nachdem sie in ihre Löcher gezogen worden waren, so zeigte die Flüssigkeit, mit der sie befeuchtet waren, bei der Untersuchung mit neutralem Lackmuspapier eine alkalische Reaktion. Es zeigte sich wiederholt, dass dies der Fall war bei Sellerie-, Kohl- und Rübenblättern. Teile derselben Blätter, welche nicht von den Würmern befeuchtet waren, wurden mit wenigen Tropfen destillierten Wassers gestossen und der in dieser Weise ausgezogene Saft war nicht alkalisch. Einige Blätter indessen, welche

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[14] Über die Wirkung des pankreatischen Fermentes s. A Text-Book of Physiology, by Michael Foster. 2. edit. 1878, p. 178-208.

[15] Schmulewitsch, Action des Sucs digestifs sur la Cellulose in: Bull. Acad. Imp. St. Pétersbourg, T. 25. p. 549. 1879.

im Freien zu einer vorausgegangenen, aber nicht bekannten Zeit in die Wurmlöcher gezogen worden waren, wurden gleichfalls untersucht und obgleich sie noch feucht waren, boten sie nur selten auch nur eine Spur einer alkalischen Reaktion dar.

Die Flüssigkeit, mit welcher die Blätter befeuchtet werden, wirkt auf sie, so lange sie frisch oder nahezu frisch sind, in einer merkwürdigen Weise; denn sie tötet und entfärbt dieselben schnell. So waren die Enden eines frischen Möhrenblattes, welches in eine Wurmröhre gezogen worden war, nach zwölf Stunden von einer dunkelbraunen Färbung. Die Flüssigkeit wirkte auf Blätter von Sellerie, Rüben, Ahorn, Ulme, Linde, auf dünne Blätter von Efeu und gelegentlich Kohlblätter in ähnlicher Weise. Das Ende eines Blattes von Triticum repens, was noch an der wachsenden Pflanze hing, war in eine Höhle gezogen worden, und dieser Teil war dunkelbraun und abgestorben, während das übrige Blatt noch frisch und grün war. Mehrere aus Wurmröhren im Freien genommene Linden- und Ulmenblätter zeigten sich in verschiedenen Graden beeinflusst. Die erste Veränderung ist allem Anscheine nach die, dass die Venen schmutzig rötlich-orange werden. Die Zellen mit Chlorophyll verlieren dann zunächst mehr oder weniger vollständig ihre grüne Färbung und ihr Inhalt wird schliesslich braun. Die in dieser Weise affizierten Teile erschienen häufig durch den Lichtreflex beinahe schwarz; wurden sie aber als durchsichtiger Gegenstand unter dem Mikroskope betrachtet, so wurde an sehr kleinen Fleckchen Licht durchgelassen, und dies war an den nicht affizierten Teilen der nämlichen Blätter nicht der Fall. Diese Wirkungen zeigen indes nur, dass die abgesonderte Flüssigkeit für Blätter in hohem Grade schädlich oder giftig ist; denn nahezu die nämlichen Wirkungen wurden in einer Zeit von ein bis zwei Tagen auf verschiedene Arten junger Blätter hervorgebracht, nicht nur durch künstlichen pankreatischen Saft, welcher mit oder ohne Thymol hergestellt war, sondern auch schnell durch eine Lösung von Thymol allein. Bei einer Gelegenheit wurden Blätter von Corylus dadurch stark entfärbt, dass sie achtzehn Stunden lang in pankreatischem Saft ohne irgendwelches Thymol liegen gelassen wurden. Auf junge und zarte Blätter wirkte ein Einlegen in menschlichen Speichel während ziemlich warmen Wetters in derselben Weise wie der pankreatische Saft, aber nicht so schnell. Die Blätter wurden in allen diesen Fällen häufig mit der Flüssigkeit infiltriert.

Grosse Blätter von einem an einer Mauer wachsenden Efeu waren so zäh, dass sie von den Würmern nicht benagt werden konnten, aber nach vier Tagen waren sie durch die aus dem Munde der Würmer sich ergiessende Absonderung in einer eigentümlichen Weise affiziert. Die oberen Flächen der Blätter, über welche die Würmer gekrochen waren, wie sich aus dem auf denselben zurückgelassenen Schmutz zeigte, waren in gewundenen Linien von einer entweder zusammenhängenden oder unterbrochenen Kette weisslicher und häufig sternförmiger Flecke von ungefähr 2 mm Durchmesser gezeichnet. Das sich hiernach ergebende Aussehen war dem eines Blattes merkwürdig gleich, in welches die Larve irgendeines minutiösen Insektes gegraben hatte. Mein Sohn FRANCIS aber konnte, nachdem er Schnitte gemacht und untersucht hatte, nirgends finden, dass die Zellwände durchbrochen oder die Epidermis durchlöchert gewesen wäre. Wenn der Schnitt durch die weisslichen Flecke hindurch ging, sah man, dass die Chlorophyllkörner mehr oder weniger entfärbt waren und einige der Palisaden- und Mesophyll-Zellen enthielten nichts als zerbröckelte körnige Massen. Diese Wirkungen müssen der Transsudation der Sekretion durch die Epidermis in die Zellen zugeschrieben werden.

Die Absonderung, mit welcher die Würmer die Blätter befeuchten, wirkt gleichfalls auf die Stärkemehlkörner innerhalb der Zellen. Mein Sohn untersuchte einige Eschenblätter und viele Lindenblätter, welche von den Bäumen abgefallen waren und von den Würmern zum Teil in ihre Wurmröhren gezogen worden waren. Es ist bekannt, dass bei abgefallenen Blättern die Stärkemehlkörner in den Schutzzellen der Spaltöffnungen aufbewahrt werden. Nun war in verschiedenen Fällen das Stärkemehl zum Teil oder ganz ans diesen Zellen in den Blattteilen, welche mit jener Absonderung befeuchtet worden waren, verschwunden, während es in den anderen Teilen der nämlichen Blätter noch gut erhalten war. Zuweilen war das Stärkemehl nur in einer der beiden Schutzzellen aufgelöst. In einem Falle war der Zellkern zusammen mit den Stärkemehlkörnern verschwunden. Das blosse Vergraben von Lindenblättern in feuchte Erde für eine Zeit von neun Tagen verursachte keine Zerstörung der Stärkemehlkörner. Auf der anderen Seite führte das Einlegen frischer Linden- und Kirschblätter für achtzehn Stunden in künstlichen pankreatischen Saft zur Auflösung der Stärkemehlkörner sowohl in den Schutzzellen als in den übrigen Zellen. Aus dem Umstande, dass die Absonderung, mit welcher die Blätter befeuchtet werden, alkalisch ist und dass sie auf Beides, sowohl auf die Stärkemehlkörner als auch auf den protoplasmatischen Zellinhalt wirkt, können wir schliessen, dass sie ihrem Wesen nach dem Speichel nicht ähnlich ist [16], sondern dem pankreatischen Saft, und wir wissen durch FREDERICQ, dass eine Absonderung dieser Art sich im Darme der Würmer findet. Da die Blätter, welche in die Wurmlöcher gezogen werden, häufig trocken und gerunzelt sind, so ist es, um von dem unbewaffneten Munde der Würmer zerkleinert zu werden, unumgänglich nötig, dass sie angefeuchtet und erweicht werden, und frische Blätter, wie weich und zart sie auch immer sein mögen, werden wahrscheinlich aus Gewohnheit ähnlich behandelt. Das Resultat ist, dass sie zum Teil verdaut werden schon ehe sie in den Darmkanal aufgenommen werden. Mir ist nicht bekannt, dass irgendein anderer Fall von ausserhalb des Magens stattfindender Verdauung beschrieben worden wäre. Die Boa constrictor überzieht ihre Beute mit Speichel; dies geschieht aber nur, um sie schlüpfrig zu machen. Die grösste Analogie bieten vielleicht derartige Pflanzen dar wie Drosera und Dionaea; denn hier wird tierische Substanz verdaut und in Pepton verwandelt, nicht innerhalb eines Magens, sondern auf der Oberfläche der Blätter.

Kalkführende Drüsen. – Diese Drüsen (s. Fig. 1) müssen nach ihrer Grösse und nach ihrem Reichtum an Blutgefässen von grosser Bedeutung für das Tier sein. Es sind aber beinahe ebenso viele Theorien über ihren Nutzen vorgebracht worden, als es Beobachter gegeben hat. Sie bestehen aus drei Paaren, welche im gemeinen Regenwurm sich vor dem Muskelmagen in den Darmkanal öffnen, aber bei Urochaeta und einigen anderen Gattungen hinter ihm [17]. Die zwei hinteren Paare werden von Blättern gebildet, welche nach der Angabe von CLAPAREDE Auftreibungen der Speiseröhre sind [18]. Diese Blätter sind mit einer weichen Zellschicht überkleidet, an welcher die äusseren Zellen in unendlicher Zahl freiliegen. Wenn eine dieser Drüsen angestochen und gedrückt wird, so tritt eine Quantität weisser markähnlicher Masse aus, welche aus diesen freien Zellen besteht. Sie sind minutiös und schwanken im Durchmesser von 2 bis 6 µ. Sie enthalten in der Mitte ihres Inhalts ein wenig äusserst feiner granulöser Substanz; sie sehen aber Fettkügelchen so ähnlich, dass CLAPAREDE und

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[16] Claparède zweifelt daran, dass Speichel von Würmern abgesondert wird; s. Zeitschr. für wiss. Zoologie. 19. Bd. 1869. p. 601. [17] Perrier in: Archives de Zoologie experim., Juill. 1874. p. 416. 419. [18] Zeitschrift für wiss. Zoologie, 19. Bd. 1869. p. 603-606.

andere sie zuerst mit Äther behandelten. Dies bringt keine Wirkung hervor; sie werden aber in Essigsäure sehr schnell unter Aufbrausen gelöst, und wenn der Lösung oxalsaures Ammoniak zugesetzt wird, wird ein weisses Präzipitat niedergeschlagen. Wir dürfen daher schliessen, dass sie kohlensauren Kalk enthalten. Wenn die Zellen in sehr wenig Säure gelegt werden, so werden sie durchsichtiger, schemenhaft, und werden bald aus dem Gesicht verloren; wird aber viel Säure zugesetzt, so verschwinden sie augenblicklich. Ist eine sehr grosse Anzahl aufgelöst worden, so bleibt ein flockiger Rückstand zurück, welcher augenscheinlich aus den zarten zerrissenen Zellwänden besteht. In den zwei hinteren Drüsenpaaren vereinigt sich der in den Zellen enthaltene kohlensaure Kalk gelegentlich zu rhombischen Kristallen oder zu Konkretionen, welche zwischen den Blättern liegen; ich habe aber nur einen und CLAPAREDE nur sehr wenige derartige Fälle gesehen. Die zwei vorderen Drüsen weichen in ihrer Gestalt ein wenig von den vier hinteren ab dadurch, dass sie mehr oval sind. Sie sind auch dadurch augenfällig verschieden, dass sie meistens mehrere kleine oder zwei oder drei grössere oder eine einzige sehr grosse Konkretion von kohlensaurem Kalk bis zu einem Durchmesser von 1 ½ mm enthalten. Wenn eine Drüse nur einige wenige sehr kleine Konkretionen oder, wie es zuweilen vorkommt, gar keine enthält, so wird sie leicht übersehen. Die grossen Konkretionen sind rund oder oval und äusserlich beinahe glatt. Es wurde eine gefunden, welche nicht die ganze Drüse erfüllte, sondern wie es häufig der Fall ist, nur deren Hals, so dass sie der Gestalt nach einer Ölflasche ähnlich war. Werden diese Konkretionen zerbrochen, so sieht man, dass sie in ihrer Struktur mehr oder weniger kristallinisch sind. Auf welche Weise sie aus der Drüse gelangen, ist ein Wunder; dass sie aber austreten, ist gewiss; denn sie werden häufig in dem Muskelmagen, den Därmen und den Exkrementen von Würmern gefunden, sowohl bei solchen, die gefangen gehalten werden, als bei den im Naturzustande lebenden. CLAPAREDE sagt sehr wenig über die Struktur der zwei vorderen Drüsen und er vermutet, dass die Kalksubstanz, aus welcher die Konkretionen gebildet werden, von den vier hinteren Drüsen herrührt. Wenn aber eine vordere Drüse, welche nur kleine Konkretionen enthält, in Essigsäure gelegt und später präpariert wird oder wenn Durchschnitte einer solchen Drüse gemacht werden, ohne dass dieselbe mit einer Säure behandelt worden war, so können Blätter gleich denen in

den hinteren Drüsen und mit zelliger Substanz ausgekleidet, zusammen mit einer Menge freier kalkführender und leicht in Essigsäure löslicher Zellen deutlich gesehen werden. Wenn eine Drüse vollständig von einer einzigen grossen Konkretion erfüllt wird, so sind keine freien Zellen vorhanden, da diese sämtlich bei der Bildung der Konkretion verwandt worden sind. Wenn aber eine derartige Konkretion oder eine von nur mässig bedeutender Grösse in Säure gelöst wird, so bleibt viel häutige Substanz zurück, welche aus den Überresten der früher tätigen Blätter zu bestehen scheint. Nach der Bildung und Ausstossung einer grossen Konkretion müssen auf irgendeine Weise neue Blätter entwickelt werden. Auf einem von meinem Sohne gemachten Durchschnitt hatte der Prozess augenscheinlich begonnen, obgleich die Drüse zwei ziemlich grosse Konkretionen enthielt; denn in der Nähe der Wandungen waren mehrere zylindrische und ovale Röhren eingeschaltet, welche mit zelliger Substanz ausgekleidet und vollständig mit freien kalkführenden Zellen erfüllt waren. Eine bedeutende Vergrösserung mehrerer ovaler Röhren in einer Richtung würde ein Blatt haben entstehen lassen.

Ausser den freien kalkführenden Zellen, in welchen kein Zellkern sichtbar war, wurden bei drei Gelegenheiten andere und eher grössere freie Zellen gesehen; und diese enthielten einen deutlichen Kern und ein Kernkörperchen. Essigsäure wirkte nur insoweit auf sie ein, dass der Zellkern dadurch deutlicher wurde. Aus dem Raum zwischen zwei von den Blättern innerhalb einer vorderen Drüse wurde eine sehr kleine Konkretion entfernt. Sie war in pulpöse zellige Masse mit vielen freien kalkführenden Zellen eingebettet, zusammen mit einer Menge von den grösseren freien kernhaltigen Zellen, und auf diese letzteren Zellen wirkte Essigsäure nicht ein, während die ersteren aufgelöst wurden. Durch diesen und andere derartige Fälle wurde ich zu der Vermutung geführt, dass sich die kalkführenden Zellen aus den grösseren kernhaltigen entwickeln; wie dies aber bewirkt wird, wurde nicht ermittelt. Wenn eine von den vorderen Drüsen mehrere minutiöse Konkretionen enthält, so sind einige derselben im Umriss meistens winkelig oder kristallinisch, während die grössere Anzahl abgerundet ist, mit einer unregelmässigen maulbeerartigen Oberfläche. Kalkführende Zellen hingen vielen Teilen dieser maulbeerartigen Massen an und ihr allmähliches Verschwinden konnte, während sie noch haften blieben, verfolgt werden. Hieraus ging offenbar hervor, dass die Konkretionen aus dem innerhalb der freien kalkführenden Zellen enthaltenen Kalke gebildet werden. In dem Masse als die kleineren Konkretionen an Grösse zunehmen, kommen sie mit einander in Berührung und vereinigen sich und schliessen in dieser Weise die nun funktionslosen Blätter ein; durch derartige Schritte konnte die Bildung der grössten Konkretionen verfolgt werden. Warum dieser Prozess regelmässig in den zwei vorderen Drüsen stattfindet und nur selten in den vier hinteren Drüsen, ist vollkommen unbekannt. MORREN sagt, dass diese Drüsen während des Winters verschwinden; und ich habe einige Beispiele dieser Tatsache gesehen, ebenso andere Fälle, in welchen entweder die vorderen oder hinteren Drüsen in dieser Jahreszeit so eingeschrumpft und leer waren, dass sie nur mit grosser Schwierigkeit zu erkennen waren.

Was die Funktion der kalkführenden Drüsen betrifft, so ist es wahrscheinlich, dass sie an erster Stelle als Exkretionsorgane dienen und an zweiter Stelle zur Unterstützung der Verdauung. Würmer verzehren viele abgefallene Blätter, und es ist bekannt, dass Kalk fortdauernd in den Blättern, bis dieselben von der Mutterpflanze abfallen, an gehäuft wird, anstatt in den Stamm oder die Wurzeln wiederum absorbiert zu werden, wie es mit verschiedenen anderen organischen und anorganischen Substanzen geschieht [19]. Man hat die Erfahrung gemacht, dass die Asche eines Akazienblattes nicht weniger als 72 Prozent Kalk enthielt. Würmer würden daher dem ausgesetzt sein, mit dieser Erdart überfüllt zu werden, wenn nicht irgendein spezielles Mittel zu ihrer Abscheidung vorhanden wäre; und die kalkführenden Drüsen sind für diesen Zweck gut angepasst. Diejenigen Würmer, welche in Humus dicht über der Kreide leben, haben ihre Därme häufig ganz mit dieser Substanz gefüllt und ihre Exkremente sind beinahe weiss. Hier ist es offenbar, dass kalkige Substanz in grossem Überschuss vorhanden ist. Nichtsdestoweniger enthielten bei mehreren an einem solchen Orte gesammelten Würmern die kalkführenden Drüsen ebenso viele freie kalkführende Zellen und völlig ebenso viele und so grosse Konkretionen wie die Drüsen von Würmern, welche an Orten lebten, wo es nur wenig oder keinen Kalk gab; und dies weist darauf hin, dass der Kalk eine Ausscheidung ist und keine Absonderung, welche sich zu irgendeinem speziellen Zweck in den Verdauungskanal ergiesst.

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[19] De Vries, Landwirtschaftl. Jahrbücher. 1881. p. 77.

Andererseits machen es die folgenden Betrachtungen in hohem Grade wahrscheinlich, dass der kohlensaure Kalk, welcher von den Drüsen ausgeschieden wird, den Verdauungsprozess unter gewöhnlichen Umständen unterstützt. Blätter erzeugen wegen ihres Zerfalls eine grosse Menge verschiedener Arten von Säuren, welche unter dem Ausdruck Humussäuren zusammengefasst worden sind. Wir werden auf diesen Gegenstand in unserem fünften Kapitel zurückzukommen haben, und ich brauche hier nur anzuführen, dass diese Säuren stark auf kohlensauren Kalk wirken. Die halb verwelkten Blätter, welche von den Würmern in so grossen Quantitäten verschlungen werden, dürften daher, nachdem sie im Verdauungskanal befeuchtet und zerkleinert worden sind, gern derartige Säuren erzeugen. Und bei mehreren Würmern ergab die Untersuchung mit Lackmuspapier, dass der Inhalt des Verdauungskanals deutlich sauer war. Diese saure Beschaffenheit kann nicht der Natur der Verdauungsflüssigkeit zugeschrieben werden; denn der pankreatische Saft ist alkalisch; und wir haben gesehen, dass die Absonderung, welche sich aus dem Munde der Würmer zum Zwecke der Vorbereitung der Blätter zum Verzehrtwerden ergiesst, gleichfalls alkalisch ist. Die saure Beschaffenheit kann kaum Folge von Harn-Säure sein, da der Inhalt auch des oberen Teils des Darms häufig sauer war. In einem Falle war der Inhalt des Kaumagens unbedeutend sauer, der des oberen Teils des Darms deutlicher sauer. In einem anderen Falle war der Inhalt des Schlundkopfs nicht sauer, der des Kaumagens nur zweifelhaft, während der des Darms in einer Entfernung von 5 Cm. unterhalb des Kaumagens deutlich sauer war. Selbst bei den höheren, Pflanzen fressenden und omnivoren Tieren ist der Inhalt des Dickdarms sauer. „Dies wird indessen nicht durch irgendeine saure Sekretion der Schleimhaut verursacht. Die Reaktion der Darmwände ist in dem Dickdarm ebenso wie in dem Dünndarm alkalisch; es muss daher eine Folge von sauren Gärungen sein, welche im Darminhalt selbst auftreten… Es wird angegeben, dass bei Karnivoren der Inhalt des Blinddarms alkalisch sei, und naturgemäss wird der Umfang der Gärung in grossem Masse von der Beschaffenheit der Nahrung abhängen“ [20].

Bei Würmern ist nicht bloss der Inhalt ihrer Därme, sondern auch die ausgeworfene Masse oder die Exkrementrolle meistens sauer.

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[20] M. Foster, A Text-Book of Physiology, 2. Edit. 1878. p. 243.

Dreissig Exkrementmassen von verschiedenen Stellen wurden untersucht und ergaben sich mit drei oder vier Ausnahmen als sauer; und die Ausnahmen dürften Folge davon gewesen sein, dass die Exkremente nicht erst vor kurzem ausgeworfen worden waren; denn einige, welche zuerst sauer waren, waren am folgenden Morgen, nachdem sie getrocknet und wiederum befeuchtet worden waren, nicht mehr sauer; und dies ist wahrscheinlich ein Resultat davon, dass die Humussäuren, wie es bekanntlich der Fall ist, leicht zersetzt werden. Fünf frische Exkrementrollen von Würmern, welche in Ackererde dicht über Kreide wohnen, waren von einer weisslichen Färbung und ausserordentlich reich an kalkiger Substanz; und diese waren nicht im Geringsten sauer. Dies zeigt, wie wirksam kohlensaurer Kalk die Säuren des Darminhalts neutralisiert. Wenn Würmer in Töpfen gehalten wurden, welche mit feinem eisenschüssigen Sand gefüllt waren, so zeigte es sich deutlich, dass das Eisenoxyd, mit welchem die Kieselkörner überzogen waren, aufgelöst und mit den Exkrementen entfernt worden war.

Die Verdauungsflüssigkeit der Würmer ist, wie bereits angegeben worden ist, in ihrer Wirkung der Absonderung des Pankreas der höheren Tiere ähnlich; und bei diesen letzteren ist die pankreatische Verdauung wesentlich alkalisch, „der Prozess findet nicht statt, wenn nicht irgendein Alkali vorhanden ist; und die Wirksamkeit eines alkalischen Saftes wird durch Ansäuerung unterbrochen und durch Neutralisation verhindert“ [21]. Es scheint daher in hohem Grade wahrscheinlich zu sein, dass die unzähligen kalkführenden Zellen, welche aus den vier hinteren Drüsen in den Verdauungskanal der Würmer ergossen werden, dazu dienen, die in diesem von den halb zersetzten Blättern erzeugten Säuren mehr oder weniger vollständig zu neutralisieren. Wir haben gesehen, dass diese Zellen von einer kleinen Quantität Essigsäure augenblicklich aufgelöst werden; und da sie nicht immer hinreichen, den Inhalt selbst nur des oberen Teils des Verdauungskanals zu neutralisieren, so wird vielleicht der Kalk in dem vorderen Drüsenpaar zu Konkretionen aggregiert, damit etwas davon in die hinteren Teile des Darmkanals gebracht werde, wo diese Konkretionen zwischen den sauren Inhaltsteilen umhergerollt werden. Die in den Därmen und in den Exkrementen gefundenen Konkretionen haben häufig ein abgenutztes Aussehen; ob dies aber Folge eines gewissen Grades von Abreibung oder von chemischer Korrosion ist, konnte nicht angegeben werden. CLAPAREDE glaubt, dass sie gebildet werden, um wie Mühlsteine zu wirken und dadurch bei der Zerkleinerung der Nahrung zu helfen. Sie können wohl in dieser Weise unterstützend wirken; ich stimme aber vollständig mit PERRIER überein, dass dies von völlig untergeordneter Bedeutung sein muss, wenn wir sehen, dass dieser Zweck schon dadurch erreicht wird, dass in den Muskelmägen und Därmen der Würmer meist schon Steine vorhanden sind.

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[21] M. Foster ebenda, p. 200.