Radioaktivität (von lat. radius, Strahl; Strahlungsaktivität), radioaktiver Zerfall oder Kernzerfall ist die Eigenschaft instabiler Atomkerne, sich spontan unter Energieabgabe umzuwandeln (zerfallen). Die freiwerdende Energie wird in fast allen Fällen als ionisierende Strahlung, nämlich energiereiche Teilchen und/oder Gammastrahlung, abgegeben.
Der Begriff selbst (frz. radioactivité) wurde 1898 von Marie Curie geprägt.
Definitionen und Begriffe: Radioaktive Substanz, Zerfall, Strahlung
Ein radioaktives Element ist ein Element, welches spontan unter Abgabe von energiereichen Teilchen zerfällt.
Halbwertszeit: Die Zeit, in der die Hälfte der radioaktiven Substanz zerfallen ist.
Radioaktive Substanzen
Radioaktive Substanzen sind Stoffe, welche strahlen. Grundsätzlich haben alle Elemente radioaktive Isotope. Von Bedeutung sind aber vor allem die folgenden:
Wasserstoff
Schwerer Wasserstoff (2H oder Deuterium) dient im Schwerwasserreaktor als Moderator. Überschwerer Wasserstoff (3H oder Tritium) ist radioaktiv. Er entsteht z. B. in der Atmosphäre durch die kosmische Strahlung und auch in Kernreaktoren. Tritium wurde zwischen etwa 1960 und 1998 in Leuchtfarben für Uhr-Zifferblätter usw. verwendet. In größeren Mengen soll es in Zukunft als ein Teil des Brennstoffs für Kernfusionsreaktoren erzeugt und gebraucht werden.
Kohlenstoff
Ein bekanntes Isotop ist das radioaktive 14C, das zur Altersbestimmung von organischen Materialien (Archäologie) benutzt wird (Radiokarbonmethode). Kohlenstoff (C) liegt hauptsächlich in den stabilen Isotopen 12C und 13C vor.
Sauerstoff
Zur Untersuchung von Paläo-Temperaturen wird vor allem das Verhältnis der beiden stabilen Sauerstoffisotope 18O und 16O herangezogen.
Uran
Das Isotop 235U dient als Brennstoff in Kernkraftwerken. Für die meisten Reaktortypen muss das Natur-Uran dazu an 235U angereichert werden. Fast reines 235U wird in Kernwaffen verwendet. In den meisten Kernwaffen wird heute jedoch Plutonium verwendet, da es ohne zusätzlichen Anreicherungsprozess aus abgebranntem Kernreaktorbrennstoff gewonnen werden kann.
Plutonium
239Pu hat die gleiche Verwendung wie 235U. 238Pu wird wegen seiner radioaktiven Zerfallswärme in der Raumfahrt zur Stromerzeugung in Radioisotopengeneratoren verwendet, wenn Solarzellen wegen zu großer Sonnenentfernung nicht mehr einsetzbar sind.
Radioaktiver Zerfall
Der Begriff Zerfall beschreibt treffend die Mengenabnahme des Ausgangsstoffes nach dem Zerfallsgesetz. Aber auf der Ebene der Atome findet eine Umwandlung des jeweiligen Nuklids (Atomsorte) in ein bestimmtes anderes Nuklid statt.
Radioaktive Strahlung
Insbesondere in der öffentlichen Diskussion werden die Begriffe Radioaktivität und Strahlung oft miteinander verwechselt oder synonym verwendet: Mit Radioaktivität ist häufig nicht das Material, sondern die abgegebene Strahlung (Emission von Teilchen oder Energie) – oder sogar ionisierende Strahlung aus nicht radioaktiven Quellen – gemeint. Umgekehrt wird z. B. bei Berichten über Zwischenfälle oft von „ausgetretener Strahlung“ gesprochen, wenn unbeabsichtigt freigesetzte, radioaktive Stoffe (Strahler) gemeint sind. Die häufig verwendete Formulierung „radioaktive Strahlung“ ist pleonastisch, da radioaktiv bereits strahlend bedeutet; gemeint ist hierbei die Strahlung radioaktiver Stoffe.
Exponentielle Abnahme
Radioaktiver Zerfall ist ein Zufalls-Prozess. Der Zerfallszeitpunkt des einzelnen Atomkerns ist völlig zufällig. Allerdings folgt der Vorgang einem Exponentialgesetz, so dass es für jedes Nuklid einen festen Wert der Zerfallswahrscheinlichkeit pro Zeiteinheit gibt. Die Zerfallswahrscheinlichkeit kann auch durch die Halbwertszeit ausgedrückt werden, also den Zeitraum, nach dem durchschnittlich die Hälfte der instabilen Atomkerne einer Anfangsmenge zerfallen sind. Es gibt radioaktive Halbwertszeiten im gesamten Bereich von Sekundenbruchteilen bis zu Milliarden von Jahren. Sehr langlebige Nuklide sind beispielsweise Uran-238, Uran-235, Thorium-232 und Kalium-40. Je kürzer die Halbwertszeit, desto grösser ist bei gegebener Substanzmenge die Aktivität.
Zerfallsarten
Es werden drei hauptsächliche Zerfallsarten unterschieden: Der Alpha-, Beta- und Gamma-Zerfall. (Da man zum Zeitpunkt ihrer Entdeckung noch nicht wusste, um welches Phänomen es sich handelte, beschrieb man die 3 Strahlenarten der Einfachheit halber mit den ersten 3 Buchstaben des griechischen Alphabets.)
Beim Alpha-Zerfall verringert sich durch die Emission eines Alpha-Teilchens, bestehend aus zwei Protonen und zwei Neutronen, die Ordnungszahl des radioaktiven Elements um die Zahl 2 und die Massenzahl um die Zahl 4.
Beim Beta – Zerfall wird aus dem Atomkern ein Elektron emittiert (ein im Atomkern vorhandenes Neutron wandelt sich zuvor in ein Proton und besagtes Elektron um), hierdurch erhöht sich die Ordnungszahl des Isotops um 1, die Massenzahl bleibt gleich.
Ein Gamma – Zerfall kann nur als unmittelbare Folge eines Alpha- bzw. Beta-Zerfalls auftreten. Hier ändern sich Masse und Ordnungszahl nicht, jedoch ändert sich der Anregungszustand des Kerns. Der Zeitpunkt eines radioaktiven Zerfalls ist im Voraus nicht bestimmbar. Ebenso lässt sich die Art des Zerfalls nicht vorhersagen, sofern mehr als ein Prozess möglich ist.
Die Stärke der Radioaktivität wird durch die physikalische Grösse Aktivität beschrieben und in der Einheit Becquerel, abgekürzt Bq, angegeben. Ein Becquerel steht für durchschnittlich einen Zerfall pro Sekunde und repräsentiert somit, verglichen mit der früher üblichen Einheit Curie, eine sehr kleine Aktivität.
Ein Atomkern ist dann stabil und kann nicht weiter zerfallen, wenn es keine Zerfallsart gibt, die zu einem energetisch niedrigeren Zustand führen würde.
Beim Wasserstoff ist dieser Zustand ein Proton als Atomkern, bzw. das Deuteron, das aus Proton und Neutron besteht.
Beim Helium enthält das stabile Isotop Helium-3 zwei Protonen und ein Neutron, das stabile Helium-4 zwei Protonen und zwei Neutronen.
Beim Lithium und allen schwereren Elementen müssen mindestens gleich viele Neutronen wie Protonen den Kern bilden, damit der Kern stabil ist, und bei schwereren Kernen überwiegen immer mehr die Neutronen. Ab einer gewissen Massenzahl werden alle Atomkerne instabil. Durch Einwirkung von Teilchenstrahlung, insbesondere Neutronenstrahlung (Neutronenaktivierung), können in Kernreaktoren stabile Atomkerne in andere instabile Atomkerne umgewandelt werden.
Radioaktive Kerne können auf verschiedene Weise zerfallen, je nach ihrer Zusammensetzung aus Protonen und Neutronen. Historisch besonders bedeutsam sind die Zerfallsarten Alpha-, Beta- und Gammazerfall. Sie wurden als erste entdeckt und sind die bei weitem am häufigsten auftretenden Umwandlungsarten. Später fand man noch weitere Zerfallsarten, die nicht mehr zu diesen drei klassischen Arten gezählt werden konnten.
Die Vielzahl existierender Zerfälle lässt sich in drei Kategorien einteilen:
Alpha-Strahlung
Die Reichweite der a-Strahlung beträgt nur wenige Zentimeter.
Sie hat eine sehr geringe Durchdringbarkeit . Dies bedeutet soviel, dass man diese Strahlung schon durch ein einfaches Blatt Papier eindämmen kann.
Beim a-Zerfall eines Atoms werden aus dem Atomkern Heliumkerne herausgelöst und „abgestrahlt“.
Diese Heliumkerne bestehen nur aus Nukleonen. Sie enthalten also keine Elektronen, sondern nur Protonen und Neutronen. Daher sind sie doppelt positiv geladen.
Die Masse dieser Heliumkerne beträgt circa 4,001 u (atomare Masseneinheiten).
Diese Masse ergibt sich aus der Addition der Masse zweier Protonen und zweier Neutronen.
Die Alpha-Strahlung ist nur bedingt magnetisch ablenkbar, da sie relativ „schwer“ ist. Näheres zu diesem Thema ist unter „Magnetische Ablenkbarkeit der Strahlungsteilchen“ nachzulesen.
Für den a-Zerfall sind folgende Regelmäßigkeiten zu beobachten :
Die Massezahl des Atoms wird durch den Verlust der Protonen und Neutronen um „4“ verringert.
Da die Ordnungszahl mit der Anzahl der Protonen im Atomkern zusammenhängt und jetzt 2 zwei Protonen (und zwei Neutronen) abgegeben wurden, muß die Ordnungszahl um „2“ verringert werden.
Durch den a-Zerfall entsteht ein neues Element. Diese kann man mit der Regel bestimmen, dass dieses neue Element generell zwei Stellen vor dem Ausgangselement steht.
Ein Beispiel für eine a-Zerfallsgleichung :
Aus „U (Uran)“ wird durch den a-Zerfall : „Th (Thorium)“ + „He (Helium++) >>> Über die Fortsetzung dieser Zerfallsreihe ist weiter unten etwas zu erfahren.
ß-Strahlung
Die ß-Strahlung hat eine höhere Reichweite, als die a-Strahlung. Sie beträgt circa 10cm.
Sie hat außerdem eine höre Durchdringbarkeit und ist somit schwerer einzudämmen. Für ihre Eindämmung benötigt man Elemente mit einer hohen Dichte, wie zum Beispiel Blei.
Bei dieser Art des radioaktiven Zerfalls lösen sich ausschließlich Elektronen aus dem Atomkern und werden „abgestrahlt“.
Ein Strahlungsteilchen, beziehungsweise ein Elektron, ist einfach negativ geladen.
Neben seiner Ladung entspricht auch die Masse eines Strahlungsteilchen der, eines Elektrons, also circa 0,0005 u (atomare Masseneinheiten).
Bei diesem Zerfall ist außerdem noch eine Besonderheit zu beobachten :
Ein Neutron zerfällt in ein Elektron und ein Proton.
Die Strahlungsteilchen der ß-Strahlung sind besser magnetisch ablenkbar, als die der a-Strahlung.
Die Strahlungsteilchen werden generell in die entgegengesetzte Richtung der a-Strahlungsteilchen abgelenkt.
Wie bei dem a-Zerfall gibt es auch für ß-Zerfall bestimmte Regelmäßigkeiten und eine Zerfallsgleichung :
Die Massezahl des Atoms ist gleichbleibend, beziehungsweise verringert sie sich um 0,0005 u (atomare Masseneinheiten).
Jedoch wird die Ordnungszahl um „1“ vergrößert werden.
Dies hängt damit zusammen, dass aus einem Neutron ein Proton (= ihre Anzahl gibt die Ordnungszahl an) und ein Elektron gebildet wird. Dabei wird dann das Elektron „abgestrahlt“, während das Proton weiterhin im Atomkern bleibt. Es wurde also ein Proton hinzugefügt. Auch durch den ß-Zerfall entsteht ein neues Element. Dies läßt sich so bestimmen, indem man die neue Ordnungszahl im Periodensystem sucht. Das neu entstandene Element ist immer das nachfolgende Element des Ausgangsstoffes.
Ein Beispiel für eine ß-Zerfallsgleichung :
Aus „Po (Polonium) wird durch den ß-Zerfall : „At (Astat) + e (Elektron -) >>> Diese Zerfallsreihe endet hier noch nicht. Auch hier ist näheres über ihren Verlauf weiter unten, in dem Kapitel „Die Zerfallsreihe“ zu entnehmen.
Gamma-Strahlung
Die höchste Reichweite hat die Gamma-Strahlung. Wie weit genau diese Strahlung reicht ist nicht bekannt.
Ihre Durchdringbarkeit ist nochmals höher, als die der ß-Strahlung. Man benötigt schon starke Betonwände, um die ?-Strahlung wirkungsvoll einzudämmen.
Für die Gamma-Strahlung läßt sich keinerlei Zerfallsgleichung aufstellen. Zu begründen ist dies damit, dass es sich hierbei nicht um eine Teilchenstrahlung, wie bei der a- und ß-Strahlung handelt. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine elektromagnetische Wellenstrahlung. Das heißt, dass so gesehen auch nicht von einem „Gamma-Zerfall“ gesprochen werden kann.
Es gibt zwei verschiedene Ansichten, woraus die Gamma-Strahlung besteht.
Eine davon stellt diese Strahlung als „Welle“ dar. Die andere zeigt, dass die ?-Strahlung aus sogenannten Photonen (= Lichtquant) besteht. Diese Photonen haben eine Ruhemaße von 0 und bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit.
Das bedeutet, dass sich auch die ?-Strahlung mit Lichtgeschwindigkeit ausdehnt, beziehungsweise verbreitet.
Die Gamma-Strahlung läßt sich nicht magnetisch ablenken. Dies liegt daran, dass ein Photon keine elektrische Ladung besitzt.
Auch in der zweiten Ansichtsweise der Gamma-Strahlung (Wellenform) ist keine elektrische Ladung vorhanden. Auch dies bedeutet, dass eine magnetische Ablenkbarkeit nicht vorhanden ist. Eigenschaften einer „Gamma-Welle“ sind der Info-Folie „Spektrum der elektromagnetischen Strahlung zu entnehmen.
Gamma-Strahlen verlieren ihre Energie beim Durchdringen von Materie, beziehungsweise durch Zusammenstöße mit Elektronen oder ganzen Atomkernen.
Messgeräte für Radioaktivität
In der Kernphysik gibt es für den Nachweis und die Messung der verschiedensten Teilchenstrahlen eine Vielzahl von Detektoren, die jeweils für die Untersuchung bestimmter Strahlenarten geeignet sind. Ein bekanntes Beispiel ist der Geigerzähler. Ionisationskammern und Nebelkammern sind zum Nachweis von Alpha-, Beta- und Gammastrahlung verwendbar, Szintillationszähler (gekoppelt mit Photomultipliern) und Halbleiterdetektoren dienen der Detektion von Beta- und Gammastrahlen. Für den Strahlenschutz werden zur Messung der Strahlenbelastung verschiedene Dosimeter verwendet.
Die allererste Messung, die eine quantitative Aussage über die Strahlung ergab, wurde von Pierre Curie und Marie Curie mit Hilfe eines Elektroskops durchgeführt. Allerdings mass dieses nicht direkt die Strahlung, sondern die Abnahme einer elektrischen Ladung aufgrund der durch die Ionisation hervorgerufenen Leitfähigkeit der Luft.
Wirkung auf Lebewesen
Auf Lebewesen wirkt natürlicherweise eine Strahlung, welche drei Quellen hat:
- Kosmos
- Erde
- Lebendige Körper
kosmische Strahlenquellen: Der Ursprung der kosmischen Strahlenexposition liegt im Weltall. Der wesentliche Teil kommt von der Sonne. Die Strahlung wird durch die Erdatmosphäre (Luftschicht) geschwächt. Deshalb nimmt die kosmische Strahlung mit zunehmender Höhe über Meer zu. Ihr Beitrag ist in der Schweiz im Durchschnitt 0.34 mSv/Jahr.
terrestrische Strahlenquellen: Die Strahlung stammt von radioaktiven Quellen, die sich natürlicherweise in der Erde und damit auch in Baumaterialien befinden. Verantwortlich sind vor allem das Uran und seine Folgeprodukte. Die Konzentration von Radionukliden in Kalk und Sandstein ist gering, in Graniten höher. Die Strahlenexposition in den Alpen kann bis zu 1.5 mSv/Jahr betragen. Im älteren Juragestein ist die Exposition kleiner. Im Durchschnitt ist der Beitrag 0.45 mSv/Jahr.
inkorporierte Strahlenquellen: Durch die Nahrungsmittel und das Wasser werden dem Körper natürliche Radionuklide zugeführt, die vor allem im Muskelgewebe eingelagert werden und den Körper von innen exponieren. Es handelt sich dabei überwiegend um K-40, das vor allem mit Gemüse in den Körper gelangt. Die Aktivität in unserem Körper beträgt dadurch etwa 4’000 Bq. Der Dosisbeitrag liegt im Durchschnitt bei 0.38 mSv/Jahr.
Insgesamt werden wir hier in Mitteleuropa einer durchschnittlichen Dosis von etwa 4 mSv pro Jahr (Milli-Sievert pro Jahr) belastet.
Grössen und Masseinheiten
Aktivität
Als Aktivität bezeichnet man die Anzahl der Zerfallsereignisse pro Zeiteinheit, die in einer Probe eines radioaktiven oder radioaktiv kontaminierten Stoffes auftritt. Angegeben wird die Aktivität üblicherweise in Becquerel (Bq), ein Becquerel entspricht einem Zerfall pro Sekunde.
Zu den Grössen und Masseinheiten, die sich auf Wirkung ionisierender Strahlung (aus radioaktiven oder anderen Quellen) beziehen, gehören:
Energiedosis mit der Masseinheit Gray
Ionendosis mit der Masseinheit Coulomb/Kilogramm (C/kg)
Äquivalentdosis mit der Masseinheit Sievert
Sievert
Das Sievert (Einheitenzeichen: Sv, nach dem schwedischen Mediziner und Physiker Rolf Sievert) ist die Maßeinheit verschiedener gewichteter Strahlendosen. Sie dient zur Messung der Strahlenbelastung biologischer Organismen und wird bei der Analyse des Strahlenrisikos verwendet. Das Sievert wird als Einheit herangezogen für:
- Äquivalentdosis
- Effektivdosis
- Organdosis
Da 1 Sv eine relativ große Äquivalentdosis darstellt, werden praktisch vorkommende Werte meist in Millisievert (1 mSv = 0,001 Sv = 10-3 Sv) oder Mikrosievert (1 µSv = 0,000?001 Sv = 10-6 Sv) angegeben.
Messung der Organdosis
Wie gross die Energiedosis ist, die auf den Körper wirkt, sagt noch nichts darüber aus, wie gefährlich sie für den Menschen ist. Es spielt z.B. eine Rolle, wie die Strahlung im Körper gestreut wird und wie schnell sie ihn durchdringt. Die Schädlichkeit einer Strahlung ist auch bei verschiedenen Körperorganen und Geweben sehr verschieden.
Die Internationale Strahlenschutzkommission (ICRP) führte dazu 1991 so genannte Wichtungsfaktoren ein. Für die Strahlungsarten wurden „Strahlungs-Wichtungsfaktoren“ eingeführt und für die verschiedenen biologischen Gewebe „Gewebe-Wichtungsfaktoren“.
Um zu bestimmen, wie schädlich Strahlung A für das Gewebe B ist, multipliziert man also die Energiedosis von A mit dem „Strahlungs-Wichtungsfaktor“ und zusätzlich mit dem „Gewebe-Wichtungsfaktor“. Heraus kommt eine Organdosis, die nun zur Abschätzung der Gefährlichkeit geeignet ist. Die Einheit ist Sievert (Sv). Da ein Sievert bereits sehr gefährlich ist, werden die Dosiswerte oft in Millisievert angegeben.
Gefährlich für Menschen sind vor allem die folgenden radioaktiven Stoffe:
Für den Menschen bei einem Atomunfall gefährlich sind vor allem die Elemente (Isotope)Cäsium (Cäsium 134 und Cäsium 137), Jod (Jod 129 und Jod 131), Plutonium (Plutonium 239) und Strontium (Strontium 90).
Cäsium
Radioaktives Cäsium mit physikalischen Halbwertszeiten von zwei bzw. 30 Jahren zum Beispiel verhält sich chemisch wie das ungefährliche Kalium. Gelangt es über die die Nahrung oder das Trinkwasser in den Körper, wird es überwiegend in Muskel- und Organgewebe gespeichert. Die Strahlung verteilt sich mehr oder weniger gleichmässig im ganzen Körper.
Durch den natürlichen Stoffwechsel wird der Stoff abhängig von Alter und Geschlecht mit einer Halbwertszeit von etwa 110 Tagen wieder ausgeschieden. Bei sehr hohen aufgenommenen Dosen kann die Ausscheidung durch aufwändige medizinische Massnahmen beschleunigt werden, um die Strahlenbelastung durch Cäsium zu senken. Sinnvoller ist es jedoch, Lebensmittel und Trinkwasser regelmässig auf ihre Strahlenwerte zu testen und – je nach Ergebnis – die Aufnahme auf diesem Wege zu verhindern.
Plutonium
Plutonium zählt – wie zum Beispiel auch Quecksilber – zu den Schwermetallen. Und es ist genauso giftig. Schon zwanzig Milligramm können einen Menschen töten. Dennoch liegt die eigentliche Gefahr, die von dem Stoff ausgeht, in der Strahlung, die er aussendet.
Der Austritt von Plutonium aus dem Unglücksreaktor Fukushima 1 zählt deshalb zu den grössten Sorgen der Verantwortlichen. Der Stoff zählt zu den sogenannten Ultra-Umweltgiften und schädigt den menschlichen Körper in vielfältiger Weise. Die Reichweite der Strahlung beträgt zwar weniger als einen Millimeter und ist damit so gering, dass Haut oder Kleidung nicht durchdrungen werden. Ausgesprochen gefährlich wird es allerdings, wenn der Stoff, der an Staubpartikel gebunden in die Luft gelangt, vom Menschen eingeatmet wird.
In diesem Fall reichen schon winzigste Mengen, um das Risiko von Lungenkrebs signifikant zu steigern. Aber auch eine Anreicherung in den Knochen, der Leber und den Lymphknoten ist in einem solchen Fall denkbar: Das Risiko von Krebserkrankungen oder Schäden am Erbgut kann signifikant steigen.
Plutonium kann zudem über die Nahrung oder Wunden in den Körper gelangen. Zwar dürfte in diesem Fall ein grosser Teil des Stoffes über den Magen-Darm-Trakt wieder ausgeschieden werden – Experten gehen davon aus, dass nur etwa ein Prozent der aufgenommenen Menge im Körper verbleibt. Doch selbst dann ist eine Schädigung von Zellen und Erbgut nicht ausgeschlossen. Denn der Stoff bleibt wegen der langen biologischen Halbwertszeit lebenslang im Körper.
Die Halbwertszeit von Plutonium in der Umwelt beträgt 24 000 Jahre.
Jod
Grundsätzlich ist natürliches Jod für den menschliche Körper ausgesprochen wichtig – die Schilddrüse baut es in Hormone ein, die für den Stoffwechsel im gesamten Körper unverzichtbar sind. Bei der Kernspaltung im Atomreaktor entsteht allerdings das radioaktive Jod-Isotop 131. Und dessen Resorption im menschlichen Körper ist alles andere als gesund.
Jod 129 und 131 sind sehr flüchtige Substanzen, die sich über die Luft schnell grossflächig verbreiten und von den Menschen eingeatmet werden können. Da sich diese radioaktiven Stoffe auch auf Pflanzen ablagern und von Tieren aufgenommen werden, gelangen sie in Milch, Fleisch und Fisch und so in die Nahrungskette.
Bei Menschen, die radioaktives Jod über die Atmung oder die Nahrung aufnehmen, reichert sich der Stoff in der Schilddrüse an und wird dort nur langsam abgebaut. Insbesondere bei Kindern wurde in diesen Fällen ein erhöhtes Risiko für Schilddrüsenkrebs nachgewiesen.
Um die Risiken für die Bevölkerung zu mindern, hat die japanische Regierung inzwischen damit begonnen, Jodtabletten an die Bevölkerung zu verteilen. Die Pillen enthalten ungefährliches, nicht radioaktives Jod. Diese blockiert für das radioaktive Jod die Transportwege in die Schilddrüse; der Jodstoffwechsel innerhalb des Organs kommt zum Erliegen. Die Folge: Das radioaktive Jod wird nicht mehr in die Schilddrüse eingelagert sondern relativ schnell über die Nieren ausgeschieden; das Risiko von Folgeschäden verringert sich. Nuklearmediziner Buck empfiehlt, das Präparat zu schlucken, kurz bevor die Atomwolke die Betroffenen erreicht.“ Je später die Einnahme der Tabletten, desto geringer ist der Effekt.“
Eine vorbeugende Einnahme von Jodtabletten – etwa in Deutschland – ist allerdings nicht zu empfehlen. Im Gegenteil. Experten raten ausdrücklich von einem solchen Schritt ab, da sich dadurch das Risiko für Schilddrüsenerkrankungen sogar erhöhen kann. Nur eine radioaktive Wolke direkt über Deutschland würde die Einnahme von hochdosierten Jodpräparaten rechtfertigen.
Jod 131 hat eine Halbwertszeit von 8,02 Tagen.
Strontium
Strontium 90 ähnelt in seiner chemischen Zusammensetzung dem Calcium. Der Körper lagert es deshalb vorwiegend in den Knochen und im Knochenmark ein. Und genau das ist das Problem: Denn in unmittelbarer Nähe zum blutbildenden Gewebe steigern die radioaktiven Substanzen die Gefahr, Tumore zu entwickeln oder an Leukämie zu erkranken.
Der Stoff wird in Staubpartikeln gebunden und fliegt damit durch die Luft. In den Körper gelangt Strontium deshalb entweder über die Atmung oder durch die Strahlung, die die Teilchen in der Atemluft aussenden. Besonders tückisch: Mit einem herkömmlichen Geigerzähler lässt sich Strontium 90 im Körper nicht nachweisen.
Die Halbwertszeit der Substanz liegt bei 28,8 Jahren. Die biologische Halbwertszeit beträgt 17,5 Jahre. Das bedeutet: Erst nach dieser Zeit hat der Körper die Hälfte des radioaktiven Elements auf natürlichem Weg wieder ausgeschieden.
Anwendungen der Radioaktivität
Technische Anwendung
Radionuklidbatterien werden in der Raumfahrt zur Stromversorgung und zur Heizung verwendet. Jenseits der Mars-Umlaufbahn reicht die Strahlung der weit entfernten Sonne nicht mehr aus, um mit Solarzellen in praktikabler Grösse den Energiebedarf der Sonden zu decken.
In der UdSSR wurden sehr leistungsstarke Radionuklidbatterien mit 90Strontium-Füllung verwendet, um Leuchttürme und Funkfeuer am Polarkreis zu betreiben.
Wichtige Anwendungen, welche die Radioaktivität von Stoffen ausnutzen, sind die Altersbestimmung von Objekten und die Materialprüfung.
In der Archäologie, Kunstwissenschaft, Geologie und Paläoklimatologie werden Messungen der Konzentration radioaktiver Isotope zur Altersbestimmung verwendet, z. B. die Radiokohlenstoffdatierung (Radiokarbonmethode).
Eine technische Anwendung ist die Dickenmessung und Materialprüfung mittels Durchstrahlung. Hierbei wird ein Material mit Gamma-Strahlen bestrahlt und ein Zähler ermittelt aufgrund der durchdringenden Strahlen und des Absorptionsgesetzes die mittlere Dichte bei bekannter Schichtdicke oder umgekehrt die Schichtdicke bei bekannter Dichte. Die Strahlung kann auch auf einem Röntgenfilm hinter der Materialschicht ein Bild erzeugen. In dieser Form wird die Durchstrahlungsprüfung bei Werkstoffen angewandt.
Auch radiometrische Füllstandmessungen in Grossbehältern mit Schüttgut oder Granulaten werden mit Gamma-Durchstrahlung von einer zur anderen Behälterwand ausgeführt.
Weitere Anwendungen sind die Elementanalyse (Gammaspektroskopie) und Präzisionsmessungen in der chemischen Analytik (Mössbauer-Effekt). Des Weiteren wurden vereinzelt Blitzableiter mit Spitzen aus radioaktivem Material installiert, obgleich deren Wirksamkeit nie bewiesen werden konnte.
Medizinische Anwendung
Die Anwendung offener radioaktiver Stoffe am Menschen ist Gegenstand der Nuklearmedizin.
In der nuklearmedizinischen Diagnostik wird meist die Szintigrafie angewendet. Dabei werden geringe Mengen einer gamma-strahlenden Substanz (Tracer) am Patienten angewendet („appliziert“), zum Beispiel in eine Vene gespritzt oder eingeatmet. Die vom Tracer ausgehende Strahlung wird ausserhalb des Körpers von einer auf Szintillationsdetektoren beruhenden Gammakamera registriert und ergibt eine zweidimensionale bildliche Darstellung. Moderne Weiterentwicklungen der Methode erlauben mittels Computertomographie dreidimensionale Darstellungen (Single Photon Emission Computed Tomography, SPECT); ein weiteres bildgebendes Verfahren in der Nuklearmedizin, das auch dreidimensionale Bilder liefert, ist die Positronen-Emissions-Tomografie (PET).
Mit radioaktiven Stoffen können auch bestimmte Laboruntersuchungen durchgeführt werden, zum Beispiel der Radioimmunassay.
In der nuklearmedizinischen Therapie werden reine oder überwiegende ss-Strahler verwendet. Die häufigsten Anwendungsgebiete sind die Radioiodtherapie bei gutartigen und bösartigen Erkrankungen der Schilddrüse, die Radiosynoviorthese bei bestimmten Gelenkerkrankungen und die Radionuklidbehandlung zur Schmerzlinderung bei Knochenmetastasen.
Gefährlichkeit
Hinsichtlich der Gefährlichkeit von Radioaktivität müssen verschiedene Risiken unterschieden werden:
Strahlenbelastung als Fernwirkung
Kontamination (Verunreinigung) mit radioaktivem Material, die unter Umständen zu lange andauernder Bestrahlung führen kann, z. B. bei Kontamination der Haut
Inkorporation (Aufnahme) radioaktiver Substanz in den Körper durch Einatmen (Inhalation) oder Essen/Trinken (Ingestion).
Diese Begriffe werden in Berichterstattung und Öffentlichkeit oft verwechselt. Entsprechend wird beispielsweise der Begriff „verstrahlt“ falsch anstatt kontaminiert benutzt; Verstrahlung bedeutet – analog der Verbrennung – eine durch Bestrahlung hervorgerufene erhebliche Schädigung oder Verletzung.
Für die zum Teil gefährliche biologische Wirkung ist nicht die Radioaktivität an sich, sondern die davon ausgehende ionisierende Strahlung verantwortlich.
(verändert, nach Wikipedia)