Der Mond ist aufgegangen – Matthias Claudius (1740 – 1815)

Abendlied von Matthias Claudius (1740-1815)

Der Mond ist aufgegangen
Die gold’nen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar
Der Wald steht schwarz und schweiget
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar

Wie ist die Welt so stille
Und in der Dämmerung Hülle
So traulich und so hold
Gleich einer stillen Kammer
Wo ihr des Tages Jammer
Verschlafen und vergessen sollt.

Seht ihr den Mond dort stehen
Er ist nur halb zu sehen
Und ist doch rund und schön
So sind wohl manche Sachen
Die wir getrost verlachen
Weil unsere Augen sie nicht seh’n

Wir stolzen Menschenkinder
Sind eitel arme Sünder
Und wissen gar nicht viel;
Wir spinnen Luftgespinste
Und suchen viele Künste
Und kommen weiter von dem Ziel.

Gott lass dein Heil uns schauen,
Auf nichts Vergänglichs trauen,
Nicht Eitelkeit uns freun!
Lass uns einfältig werden
Und vor dir hier auf Erden
Wie Kinder fromm und fröhlich sein!

Wollst endlich sonder Grämen
Aus dieser Welt uns nehmen
Durch einen sanften Tod!
Und wenn du uns genommen,
Lass uns in’n Himmel kommen,
Du unser Herr und unser Gott!

So legt euch denn ihr Brüder
In Gottes Namen nieder
Kalt ist der Abendhauch
Verschon uns Gott die Strafen
Und lasst uns ruhig schlafen
Und unser’n kranken Nachbar auch.

Interpretation des Gedichtes

  • Geschichtliche Einordnung
  • Zusammenfassung des Textes
  • Sprachliches
  • Aussage

Geschichtliche Einordnung

Der Dichter Matthias Claudius hat dieses Gedicht 1779 veröffentlicht. Heute kennt man es vor allem unter dem ersten Vers „Der Mond ist aufgegangen“ und als Lied. Viele von uns haben dieses Lied zum Einschlafen vorgesungen bekommen hat, es gibt aber über 70 Vertonungen.

Matthias Claudius war Journalist und Dichter aus dem deutschen Norden. Er lebte von 1740 bis 1815, publizierte einige Artikel in Zeitungen, arbeitete als Redakteur und setzte sich für die Deutsche Literatur und Dichtung ein. Er schrieb schon in jungen Jahren Erzählungen und Gedichte, die durch einen volksliedhaften, sehr bodenständigen Charakter geprägt waren.

Matthias Claudius hat auch das Gedicht „Der Tod und das Mädchen“ verfasst, das von Franz Schubert vertont auch heute oft zu hören ist. Andere Gedichte sind in die Sammlung von Kirchenliedern aufgenommen worden.

Matthias Claudius lebte in einer revolutionären Zeit, doch er war das Gegenteil von einem Revolutionär. Mit der Aufklärung hatte er nichts am Hut.

Sein Bestreben galt dem Bewahren der Traditionen und des puritanischen christlichen Glaubens. Er war zweifellos ein konservativer Geist, der in der Volkskunst lebte.

Zusammenfassung der einzelnen Strophen (1 – 7)

  1. Es wird eine Abendstimmung mit Mond, Sternen, dunklem Wald, Wiesen und Nebel beschrieben.
  2. Diese Dämmerung ist wie eine schützende Kammer, wo wir die Tagessorgen vergessen können.
  3. Der halbe Mond zeigt uns, dass wir oft nur die halbe Wahrheit sehen und deswegen auch nicht so schnell aburteilen sollten.
  4. Oft sind wir auch zu stolz, zu eingebildet und zu künstlich und kommen von unserem eigentlichen Ziel ab.
  5. Wir sollen nicht dem Vergänglichen trauen, nicht eitel sein und wieder einfältig werden wie die Kinder.
  6. Wenn wir diese Erde verlassen müssen, lass uns sanft sterben und in den Himmel kommen.
  7. Legt euch vertrauensvoll hin, geht schlafen, Gott möge uns die Strafen ersparen und auch den kranken Nachbarn beschützen.

Untersuchung der Form und der Sprache

Das Gedicht hat 7 Strophen à je 6 Verse. Das Reimschema ist AABCCB, bekannt als Zwischenreim oder auch Schweifreim. Das Versmass kann als dreihebiger Jambus bezeichnet werden.

Was will das Gedicht sagen?

Sei wie ein Kind, einfach und vertrauensvoll und hinterfrage nicht. Gott wird dir das geben, was dir zusteht.