Aufsatz Beispiel – der schnelle Fritz von Mani Matter

Zum Songwriter

Mani Matter (1936 – 1972) gehört zu den bedeutendsten Schweizer Liedermachern. Seine Songs haben einfache, einprägsame Melodien und holzschnitzartige Texte. Ihr Inhalt der Lieder ist oft hoch philosophisch, zuweilen auch absurd, wie zum Beispiel das Lied über den rennenden Fritz.

Der Liedtext

Es git e Bueb mit Name Fritz
Es git e Bueb mit Name Fritz
Und dä cha renne wi dr Blitz
Und dä cha renne wi dr Blitz

Är rennt, dä unerhört Athlet
Är rennt, dä unerhört Athlet
So schnäll, das me ne gar nid gseht
So schnäll, das me ne gar nid gseht

Und wil er geng isch grennt bis jitz
Und wil er geng isch grennt bis jitz
Het ne no niemer gseh, dr Fritz
Het ne no niemer gseh, dr Fritz

Und ig sogar, dr Värslischmid
Und ig sogar, dr Värslischmid
Mues zuegäh, vilich gits ne nid
Mues zuegäh, vilich gits ne nid

Übersetzung

Da ist ein Junge, der heisst Fritz
Der kann rennen, wie der Blitz

Er rennt, dieser unerhörte Athlet
so schnell, dass man ihn gar nicht sieht

Und weil er bis jetzt immer gerannt ist
Hat ihn noch niemand gesehen, den Fritz

Und sogar ich, der Vers-Schmied
Muss zugeben, vielleicht gibt es ihn nicht.

Interpretation / Aufsatz

Matter besingt in diesem Lied einen Jungen, der so schnell rennen kann wie ein Blitz. Das ist so ungeheuer schnell, dass man ihn gar nicht sehen kann. Nun aber ist dieser Junge bis jetzt immer gerannt, also hat ihn auch noch niemand gesehen. Am Schluss des Liedes muss der Liederschreiber gestehen, dass es diesen Jungen vielleicht gar nicht gibt.

Die Liedzeilen stehen alle doppelt da, jede wird wiederholt. Das gibt dem Textinhalt eine merkwürdige Betonung, als ob der unglaubliche Text wirklich betont werden müsste. Die simple Melodie gibt dem Text noch den Anschein eines belanglosen, einfachen Inhalts.

Matter beschreibt etwas, was nicht sichtbar ist. Wenn etwas unsichtbar ist, dann kann man es anzweifeln. Genau das tut der «Värslischmid» dann selbst auch, indem er am Schluss zugibt, dass vielleicht alles nur erfunden ist.

Viele Menschen glauben nur an das, was sie sehen und anfassen können. Könnten aber auch Dinge existieren, die man nicht sieht oder nicht anfassen kann? Gibt es Dinge, die auch so sind wie der Fritz, nämlich unsichtbar?

Sicher, nämlich zum Beispiel Gott, Monster, Vampire, Werwölfe, die Seele, das Jüngste Gericht und vieles anderes auch. Dass sie «existieren», belegt nur schon die Tatsache, dass wir sie benennen können. Tatsächlich sind wir mit unseren Gedanken frei, uns alle möglichen und unmöglichen Dinge vorzustellen, die es «eigentlich gar nicht gibt».

Ich bin beispielsweise frei, mir eine unendliche Himmelsleiter vorzustellen, einen Steg, der bis hoch in den Himmel reicht. Ich könnte mir aber auch eine violett-blaue Landschaft vorstellen, in der ich dann herumwandere. Oder ich stelle mir vor, dass ich klein werde, wie eine Ameise und mir so die Welt anschaue.

Nüchtern betrachtet muss ich zugeben, dass es das alles nicht gibt. «Vernünftige» Menschen würden mir dringend raten, aufzuhören, mir solche sinnlosen Dinge vorzustellen.

Was aber nun, wenn ich mir um das Bild herum eine ganze Geschichte ausdenke? Wenn ich sie aufschreibe oder gar darüber einen Film drehe?

Nehmen wir nur schon ein Märchen. Die Hexen, die Verwandlung in Tiere, das Spinnen von Goldfäden aus Stroh, all das gibt es nicht für unseren «vernünftigen» Verstand. Und doch gibt es die Märchen. Sie bilden sogar ein wichtiges Kulturgut für uns.

Sobald ich mir etwas ausdenke, beginnt dieser Gedanke zu existieren, mag er auch noch so unwirklich sein. Gedanken leben, sie verbreiten sich, können sich verändern oder auch uns beeinflussen.

Lassen wir uns also festhalten: Es gibt nichts, was es nicht gibt. Sobald wir es uns vorstellen, beginnt es zu existieren. Wenn wir nur das anerkennen, was «vernünftige» Menschen zulassen, gäbe es keine Fantasie, keine Traumwelten oder keine Märchen. Und die gehören zum Menschen, sie bereichern uns und machen unser Leben farbig.