Menschenzoos und Völkerschauen

Ein Jahrhundert lang wurden die „Wilden“ in Menschenzoos ausgestellt

menschenzoos in der schweiz

Menschenzoos sind Völkerschauen, welche auf Rassismus beruhen. Rassismus wurzelt in der Idee, dass gewisse Volksgruppen minderwertig seien. Es gibt ihn seit Urzeiten, seine Auswirkungen aber sind seit eh und je grausam für die Volksgruppen, welche als weniger wertvoll erachtet worden sind.

Bei den Römern wurden sie in den Gladiatorenkämpfen zur Schau gestellt.

Durch die neuzeitlichen Entdeckungsreisen von
–  James Cook (1728–1779)
–  Ferdinand Magellan (1480–1521)
–  Vasco da Gama (1469–1524)
–  Amerigo Vespucci (1451–1512)
–  Christoph Kolumbus (1451–1506)
wurden viele fremdländische Völker entdeckt. Die Neugier der europäischen und nordamerikanischen Menschen war der Grund, dass diese Fremden auf menschenunwürdige und grausame Weise im Westen vorgeführt wurden.

Bereits Kolumbus hatte Menschen aus der Karibik an den Hof nach Spanien gebracht, der Eroberer Hernán Cortés nahm Jongleure und Ballspieler aus Mexiko mit und 1580 gab es ein erstes „Indianerdorf“ in Frankreich.

Menschenzoos gab es überall in Europa und in den USA. Zentren waren vor allem Deutschland durch dem Tierhändler Carl Hagenbeck und in Frankreich durch den Direktor des Jardin d’Acclamatation Albert Geoffroy Saint-Hilaire verbreitet.

Diese Darstellung ist allen den Opfern der Menschenzoos gewidmet. Stellvertretend für die zahllosen namenlosen Menschen hier einige Namen:

tambo Jimmy Tambo (Tambo Tambo) Aborigine aus Australien
Ota Benga Ota Benga Mbuti Pygmäe aus dem Belgischen Kongo
Moliko Kalina aus Französisch-Guayana
Jean Thiam Wolof aus dem Senegal
Marius Kaloie Kanake aus Neukaledonien
saartjie baartman Saartjie Baartman
1789 – 18
Hottentotten-Venus, Schwarze Venus, Venus noire
petite capeline Petite Capline das Kind eines indigenen Stammes aus dem südamerikanischen Feuerland. Es starb in der Ausstellung.

Carl Hagenbeck, Tierhändler und reich durch Menschenzoos

carl hagenbeckSein Vater war Fischhändler. Bereits dieser begann einen mit Tierschauen verbundenen Tierhandel. 1866 übernahm sein erst 15-jähriger Sohn Carl Hagenbeck.

In vier bis fünf Expeditionen pro Jahr brachte er Tiere zuerst aus Afrika, später holte er seine wilden Tiere aus der ganzen Welt. Er verkaufte sie weltweit an die Menagerien von Kaisern und anderen Herrschern

Geld und fehlende Menschenliebe waren wohl die Ursache, dass der Tierhändler Carl Hagenbeck 1875 begann, Vertreter ferner Länder zur Belustigung der Leute nach Europa zu bringen. Alles begann mit einer Lieferung von Rentieren aus Skandinavien. Es kam ihm die Idee, sie von einer Gruppe von Lappländern begleiten zu lassen. Die Idee wurde zum grossen Erfolg.

1876 brachte er drei „Nubier“ nach Europa und gleich darauf eine Eskimofamilie aus Grönland. 1883 und 1884 veranstaltete er Präsentationen mit Kalmücken (Westmongolen), Singhalesen bzw. Ceylon (Sri Lanka).

Mit der Eröffnung seines Tierparks in Stellingen 1908 vor den Toren Hamburgs stand Carl Hagenbeck ein eigenes Ausstellungsgelände zur Verfügung, wo Somalier, Äthiopier und Beduinen auftraten. Im selben Jahr wurde seine Somali-Truppe im Düsseldorfer Zoo ausgestellt.

Menschen als Ausstellungsobjekte

Die exotischen Völker wurden nicht gemäss ihrer Kultur präsentiert. Man wollte die Menschen als blutrünstige Wilde zeigen. Kriegstänze, Zweikämpfe wurden regelrecht einstudiert. Sie mussten wilde Gesänge lernen und diese nackt tanzend vorführen. Ihre vorgetäuschte Gefährlichkeit als Menschenfresser (Kannibalen) war eine reine Erfindung und trug wesentlich zum finanziellen Erfolg der Ausstellung bei.

Vor den Völkerschauen, welche ab Mitte des 19. Jahrhunderts populär wurden, waren es nur die Reichen und die Adeligen, welche die Fremden anstarren konnten. Sara Baartman (die schwarze Venus oder Hottentottenvenus) war so ein Beispiel. Sie wurde beguckt, begrapscht und missbraucht.

hottentottenvenus

Die fremdländischen Truppen wurden nur selten für ihren Einsatz entlöhnt. Meist mussten sie in Käfigen leben und durften diese gar nicht verlassen.

Die Völkerschauen befriedigten ein pornografisches Bedürfnis

Die Völkerschauen waren organisiert. Man wollte gar nicht kennen lernen, wie die Menschen leben, sondern man inszenierte ein Schauspiel, das gefiel. Die meisten Menschen waren halbnackt, die Frauen barbusig.

Wilde mussten sich auch wild gebärden. Wilde, animalische Sexualität stellte man sich dabei vor. Missbrauch oder Prostitution kam häufig vor.

wilde kongoweiber

Bekannt ist das Schicksal der Saartjie Baartman, welche in Südafrika gefangen wurde und in Europa als Schauobjekt für riesige Sexualorgane und einen grossen Hintern missbraucht wurde. Sie musste sich zudem auch prostituieren.

saartjie baartman

la venus noire

Einzelbeispiele

Petite Capeline

Ota Benga

James Tembo (Tembo Tembo)

Jean Tiame

marius caloe

muliko

Menschenzoos auf der ganzen Welt

Belgien bis 1958
Frankreich
Deutschland
USA
England
Spanien
Russland
Polen
Niederlanden
Schweiz bis 1964 im Zirkus Knie
Österreich

Menschenzoos in Paris

Jardin Zoologique d’Acclimatation (Akklimatisierungsgarten)

Somali Jardin ZoologiqueDer Jardin Zoologique d’Acclimatation wurde 1860 gegründet. Auf seiner Homepage wird noch heute mit „Stolz“ über die ethnographischen Ausstellungen,

Wörtlich steht auf der Homepage jardindacclimatation.fr 2018:
C’est en 1877 qu’est organisé la première exhibition ethnographique d’un groupe humain au Jardin d’Acclimatation. Pour Albert Geoffroy Saint-Hilaire, alors directeur du site, l’occasion est trop belle. Une troupe de Nubiens livrée par le zoologiste allemand Carl Hagenbeck est installée devant les écuries entre le pavillon des lamas et celui des mammifères.
(Quelle: www.jardindacclimatation.fr/150-ans-histoire)

Der Leiter des „Jardin Zoologique d’Acclimatation“ in Paris, Albert Geoffroy Saint-Hilaire landete mit dieser Menschenausstellung im Zoo einen Treffer. Die zwei „ethnologische Ausstellungen“ mit Nubiern und Eskimos 1877 wurden ein Kassenschlager. Der Zoologische Garten konnte seine Besucherzahl verdoppeln, die im selben Jahr die Millionengrenze erreichte. Die Pariser eilten herbei, um zu entdecken, was in den grossen Tageszeitungen damals als „Rudel exotischer Tiere in Begleitung von nicht weniger einzigartigen Individuen“ beschrieben wurde. Dreissig solcher „ethnologischer Ausstellungen“wurden zwischen 1877 und 1912 organisiert und sie lockten alle grosse Menschenmassen an.

Die Kolonialausstellung in Paris 1931

exposition colonial paris

Kolonialausstellungen haben in Frankreich als Verherrlichung des französischen Kolonialismus eine lange Tradition. Schon 1854 gab es im Rahmen einer allgemeinen Ausstellung einen eigenen Teil, der den Kolonien gewidmet war und von dem sich sogar noch ein Bauwerk erhalten hat: Die meteorologische Station im Park Montsouris im Süden von Paris. Die in der Zeit der Dritten Republik veranstalteten Weltausstellungen hatten koloniale Abteilungen, es gab aber auch eigenständige Präsentationen, die der Popularisierung des Kolonialismus dienten. Auch nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Tradition der Kolonialausstellungen fortgesetzt. 1922 gab es eine nationale Kolonialausstellung in Marseille, gleichzeitig wurde aber eine grosse internationale Ausstellung geplant und dann verspätet 1931 verwirklicht.

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Menschenzoos in der Schweiz

Zürich

Tagesanzeiger: Die letzte Reise der Feuerländer: 1882 starben in Zürich fünf Chilenen, die Teil einer Völkerschau waren. Die sterblichen Überreste werden nun in ihre Heimat überführt. Man weiss heute, dass sich damals 1882 einige Feuerländer mit Masern angesteckt hatten.

Bernerzeitung: «Es gab nachweislich Prostitution und Vergewaltigungen»
Menschen auszustellen, hatte in der Schweiz Tradition»: Autorin Rea Brändle über die Völkerschauen, deren Ende – und die heutige Fortsetzung.

NZZ: Menschenzoos – Die kommerzielle Zurschaustellung fremder Menschen ist ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg in ganz Europa populär.

Bern

Berner Zeitung: Auf ins Bierhübeli zur Menschenausstellung – Aus «wissenschaftlichem» Interesse und zur Volksbelustigung: Bis 1964 wurden in Bern Menschen ausgestellt.

Auftritte im Bierhübeli 1903

togotruppe_inserat_bierhübeli

«Braten am Spiess»: Inserat aus dem «Berner Tagblatt» vom 23.Juli 1903.Völkerschau Inserat

Völkerschauen im Zirkus Knie

Nachdem die Akzeptanz an Völkerschauen nach 1930 in Gehegen der Zoos Basel und Zürich schwand, begann der Zirkus die exotischen Menschen in separaten Zelten zu präsentieren.

Hier: Ankunft der Knie-Indianer 1958

knie indianer 1958

Auch sind bis heute bei Knie die Lilliputaner ein fester Bestandteil, auch wenn die Familie sagt, dass es sich um Freunde handelt. Der tragische Selbstmord von Clown Spidi 2018 aber zeigt, dass dieser sich zumindest wenig glücklich gefühlt hat.

lilliputaner bei knie   spidi

Später wurden die Nordafrikaner dann zum Auf- und Abbau des Zeltes angeheuert. Das hat bis heute Tradition.

Die Menschenzoo-Mentalität geht fliessend über in die heutige Form der Sklaverei, wo Menschen missbraucht werden zur Befriedigung der Männer.

Arte-Doku auf youtube

https://www.youtube.com/watch?v=vdRx6DYyyk0&t=7s

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von Rea Brändle