Mögliche Interpretationen
Die nachfolgenden Interpretationsansätze zur Übertragung vom Bild- in einen analogen Sachbereich (Grundstruktur der Parabelinterpretation) zu Franz Kafkas Parabel »Der Schlag ans Hoftor« sind Schülerbeispiele. Sie weisen unterschiedliche Stärken und Schwächen auf.
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Text 1
Der Schlag ans Hoftor, die sinnlosen Schuldzuweisungen und Strafe, das Verwandeln der Bauernstube in eine Gefängniszelle und die Frage am Schluss dieser Kurzgeschichte können nur im übertragenen Sinn verstanden werden. In den Beziehungen der Figuren zu dem Ich-Erzähler kann man leicht die Parallelitäten zu den wirklichen patriarchalischen Beziehungen in der Familie Kafkas erkennen. Der Bruder, der eigentliche Erzähler, ist niemand anderes als Franz Kafka persönlich. Die Schwester ist seine richtige Schwester, vermutlich Ottla, zu der Franz ein besonders gutes Verhältnis hatte. Irgendwie schafft sie es, den Vater zu verärgern, dieser wird durch den Richter, den reitenden Richter, also mit der Autorität und absoluter Befehlsgewalt dargestellt. Des Richters Gehilfe ist unabstreitbar die sich immer zurückhaltende, dem Vater treue Mutter. Die Bauern können nur das Hauspersonal oder die Familienfreunde sein. Nun fragt man sich, wieso Franz auch „angeklagt“ wird und dann noch alleine „des Vergehens“ wegen bestraft wird? Es liegt wohl daran, dass der Vater seine widerspruchslose, gefühllose Kindererziehung öfter an Franz ausübte, der in seinen Augen nicht den perfekten Sohn abgab (viel zu schmächtig, weinerlich, einfach nicht hart), als an seinen Töchtern, die alle jung waren. Deswegen ist er nicht nur für seiner Schwestern „Vergehen“ mitschuldig, er trägt für dieses auch noch die Verantwortung.
Text 2
Der Text „Der Schlag ans Hoftor“ wurde aus der Ich-Perspektive als Parabel verfasst. Eine Parabel ist gegliedert in eine Bildebene, in der der Tatvorgang beschrieben wird, und eine Sachebene. Die Sachebene beschreibt die eigentliche Meinung des Textes, die der Autor damit ausdrücken will.
Die Sachebene ist bei Kafka immer eine Verknüpfung des Textes mit seinem Leben. Hauptsächlich bezogen auf seine Mutter und seinen Vater.
Text 3
Die Merkmale des Textes deuten darauf hin, dass dies eine Parabel ist. Da die Parabel zur einen Hälfte aus der Bildhälfte (das, was erzählt wird), also aus der Geschichte mit dem Jungen, der angeklagt wird, und zur anderen Hälfte aus der Sachhälfte besteht (das, was gemeint ist), also Bezug auf Kafkas Verhältnis zu seinem Vater und seiner Umwelt, ist dies ein Beweis, dass der Text eine Parabel sein muss. Der Leser muss nun die Sachhälfte durch Deuten des Geschriebenen (der Bildhälfte) erschliessen.
Der Text bezieht sich auf Kafkas Vergangenheit. Die Symbolik der einzelnen Personen und Geschehnisse deute ich wie folgt: Der Junge ist Kafka selber. Sein gutes Verhältnis zur jüngsten Schwester Ottla wird in dem Text sehr schön dargestellt, Sie war diejenige, die sich als Einzige gegen den mächtigen Vater gewehrt hat. Sie wusste, wie man sich wehren hatte und wie man einigermassen mit den Situationen umgehen musste. Der Schlag an das Hoftor symbolisiert den „Rückschlag“ gegen den eigenen, verhassten Vater. Er war derjenige, der seinen Kindern immer Hindernisse in den Weg stellte („Hoftor“). Für die Kinder war es niemals leicht mit diesen „Erschwernissen“ umzugehen. Selbst die Mutter konnte sich nie gegen ihren Mann wehren. Sie ist nur ein stiller Diener des mächtigen Herrn. Im Text ist sie der zurückhaltende Gehilfe. Dieser Gehilfe ist die einzige Person im Text, die einen Namen erhalten hat: Assmann. Die Mutter war immer die Person, die ihren Kindern Liebe und Trost spendete, also etwas Einzigartiges. Darum auch der einzige Name, der in dem Text fällt. Der Reiter symbolisiert den mächtigen Vater auf seinem Ross, so unerreichbar hoch, der mit seiner Lanze oben richtet und waltet. Der Richter, der entscheidet, wer schuldig und wer unschuldig ist. Er entscheidet, auch wenn er im Unrecht zu sein scheint, wenn sein Urteil gefällt ist, dann kann niemand mehr etwas daran ändern. Auch wenn der Junge unschuldig war. So wie beim Pawlatsche-Erlebnis. Ein Junge, der nur nach Wasser verlangt, weil er durstig ist und zur Strafe ausgesperrt wird. Das Dorf scheint der Freundeskreis Kafkas gewesen zu sein. Diejenigen, die am Anfang zu ihm gehalten haben, aber dann, wenn es darauf ankam, sich zurückzogen und schwiegen. Der Junge, der in dem Text sich so mutig vor seine Schwester stellt, um sie zu schützen, und der sich um sie kümmert, wenn es ihr schlecht ging, nein, so ein Junge war Kafka nicht. Er hat es sich zwar so sehr gewünscht, so stark zu sein, um seinem Vater gegenübertreten zu können und ihm seine Stärke zu demonstrieren, der er gerne gehabt hätte, aber dazu kam es nie. Die Schwester blieb immer ein grosses Vorbild für ihn. Das Heim empfand er als Gefängnis, so wie der Junge die Bauernstube: dunkel, einsam, eng. Die Hoffnungslosigkeit am Ende des Textes weist darauf hin, dass selbst Kafka nicht wusste, wie es mit dem Jungen enden soll, der so tapfer gegen den Richter antritt. Er bleibt ewig ein Gefangener, der sich doch nur ein Stückchen der grossen Freiheit wünschte.
Text 4
Die Parabel hat eine Bild- und eine Sachebene, z.B. Bildebene in dieser Parabel ist der Richter, die Sachebene ist der Vater von Franz Kafka. Franz Kafka schreibt die Parabel zwar allgemein, doch eigentlich verarbeitet er das schlechte Verhältnis zu seinem Vater.
Text 5
Ich denke, dass Kafka seine Schwester bewundert hat und, da er ein Träumer war, sich in dieser Geschichte vorgestellt hat, er würde gegenüber dem Richter, was als Symbolbild für den Vater steht, sich behaupten und mutig die Straftat der Schwester auf sich nehmen. Doch als er vor seinem Vater steht, hat er wieder Angst, was der Vater merkt und seine Aussage: „Dieser Mann tut mir leid.“, soll hervorheben, dass der Vater vielleicht Mitleid mit seinem Sohn hat, dass dieser nie die Taten vollbringen kann, die die Schwester gemacht hat.
Text 6
Durch seine Werke versuchte er diese Beziehung zu seinem Vater zu verarbeiten. Interessant ist in diesem Zusammenhang noch die Form des Ich-Erzählers. Meist kann man diesen mit Kafka als Autor in Zusammenhang stellen. Kafka ist also der „Ich-Erzähler“ in seinen Parabeln, was die Deutung der Parabeln erleichtert und erst verständlich macht.
Text 7
In dem Text ist zwar nicht Kafka selbst die Person, die gegen das Tor schlägt, sondern seine Schwester ist es, die es tut, jedoch zeigt dies auch wie der Vater in solchen Fällen handelte. Meistens war Franz Kafka der Sündenbock für die Aufmüpfigkeit seiner Schwester.
Text 8
…Nahe des Hofes ist ein Dorf, in welchem die „Reisenden“ von den Einwohnern gewarnt werden. Dieses freundlich gesinnte Dorf ist die Übertragung für seine Mutter, welche er liebte. Seine Mutter ist mit seinem Vater oft zusammen, deshalb die Nähe zum Hof, wagt es aber nicht sich endgültig auf die Seite der Kinder zu stellen.
Text 9
Sein Leben hat Franz Kafka immer wie die Bauernstube gesehen: als ein Gefängnis, aus dem er keine Aussicht auf Entlassung hat.