Archaeopteryx und andere Urvögel

Von den Reptilien zu den Vögeln

Bindeglieder zwischen zwei Wirbeltierklassen werden als Missing Links bezeichnet. Darwin selbst nannte die theoretisch geforderten Bindeglieder zwischen den Tiergruppen Transitional Fossils.

Theoretisch wurde ein Vogel mit Reptilien und Vogelmerkmalen als Missing link zwischen Reptilien und Vögeln vermutet. Er wurde 1917 von Thomas Henry Huxley, dem Unterstützer und Mitstreiter von Darwin, als Proavis (Vorvogel) bezeichnet. Er wurde als befiederte Echse mit Zähnen und Krallen an den Flügeln und einem Eidechsenschwanz dargestellt. Tatsächlich wurde so ein Urvogel bald gefunden.

Eines dieser Bindeglieder ist Archaeopteryx, der Urvogel.

Archaeopteryx lithographica

pterix: Feder
archae: alt, ursprünglich
litho: Stein, Gestein
graphein: schreiben, zeichnen

archaeopteryx das zehnte exemplar

Der älteste bekannte „echte“ Vogel stammt vom Ende der Jurazeit (ca. 140 Mio Jahre). In Bayern, nahe der Stadt Solnhofen, gibt es Ablagerungen von vorzüglich spaltbarem Kalkschiefer, den man gern für Lithographien benutzt. Hier hat man im Verlaufe eines Jahrhunderts drei Skelette und eine einzelne Feder des Urvogels Archaeopterix gefunden. Dieser Solnhofener Kalkschiefer ist so feinkörnig, dass sich darin selbst zarteste Objekte abbilden können. Man fand sogar ein Federbüschel. Das ist sehr erfreulich, denn im Skelett des Archaeopterix haben sich so viele Merkmale erhalten, die an einen urtümlichen Archosaurier (Grosssaurier) erinnern, dass man, wären keine Federn vorhanden, ohne weiteres annehmen würde, es handle sich um einige ungewöhnliche Typen sehr kleiner Dinosaurier. Archaeopterix war etwa so gross wie eine Krähe.

Fundgeschichte des Archaeopteryx

1855 fand man im obersten Jura in Haarlem den ersten Archaeopteryx (Urvogel), den jedoch niemand als Zwischenform erkannte und 1857 als Flugsaurier beschrieben wurde. Erst 1970 erkannte man, dass es sich dabei auch um einen Archaeopterix handelte.
1861 wirde ein weiteres Exemplar gefunden (ohne Schädelabdruck). Niemand wusste, ob es sich um einen Vogel oder um ein Reptil handelte. K. F. Häberlein, ein fossilsammelnder Mediziner, erwarb sich die Platte sofort und bot sie den verschiedensten Museen an. Für 600 englische Pfund kaufte das Naturhistorische Museum in London diese wertvolle Platte.

1876 gab es dann den schönsten Fund aus dem Solnhofener Schiefer. Für 20’000 Goldmark verkaufte Häberlein die Platte an Siemens, der sie im Mineralogischen Museum in Berlin ausstellte.

1956 wiederum Archaeopterix ohne Schädel in Solnhofen gefunden.

Abbildung des Fossils (Portmann)
Skelettrekonstruktion (Starck 1, 152)
Rekonstruktionen (Portmann)

Drei Funde aus der späten Jurazeit, ungefähr 140 Millionen Jahre alt
Solnhofener Lithographiekalk, besonders feines Material, das sogar die Textur von Federn abbildet
ein Dokument ist in London, das andere in Berlin-Ost
etwas mehr als amselgrosses Tier
halb Vogel, halb Eidechse
Federn, Krallen an den Schwingen, Zähne

Merkmale des Archaeopteryx: ein Mosaik

arch2schmächtige Spange als Brustbein, ohne Kamm, wie wir ihn beim Poulet sehen, Kamm als Mass für die Flugmuskulatur, er war also kein grosser Flieger, wohl nur Gleiten für kurze Strecken.
Gehirn entspricht dem eines Reptils. Kleinhirn gering entwickelt

reptilhafte Merkmale
einfacher Bau der Wirbelgelenke
bezahnte Kiefer
lange Schwanzwirbelsäule, beweglich, mit 20-21 Wirbeln, echsenartig
sehr kurzes Kreuzbein
freie Finger im Flügel
Finger mit Krallen
Rippenfortsätze fehlen
kleines Brustbein
Vorkommen von Bauchrippen
Vorderhirn wie bei Reptil langgezogen

vogelhafte Merkmale
Schlüsselbeine zu Furcula verschmolzen
Hinterhirn vogelartig gestaucht
voll entwickelte Schwung- und Schwanzfedern ohne Übergangsformen
Beckeneigenheiten (Pubis nach hinten gedreht?)
erste Zehe des Fusses steht den anderen entgegen

Schambein in Mittelstellung (weder nach vorn wie bei Echsen, noch nach hinten wie bei Vögeln oder Säugern (bei Dinosauriern? teils vorne, teils hinten, teils in Mittelstellung)
Mittelfuss: zum Rumpf hin verwachsen, zu den Zehen hin frei (bei Vögeln alles verwachsen.

Reptilhaft sind: Kopf, Schwanz, Zähne, Rippen (Achsenorgane)
Vogelhaft sind: Bewegungsapparat, Federn
Mittelstellung: Becken

Zeitintegration (Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit in einem Organismus)
Jeder Organismus ist zeitintegrativ und weist neben dem Gegenwärtigen auch Vergangenes und Zukünftiges im Körperbau auf.
Gewisse Reptilien erzeugen Wärme (Riesenschlangen brüten durch Muskelzittern), einige wenige Vögel weisen im Juvenilstadium noch Krallen an den Schwingen auf (z.B. der Hoazin, Opistocomus, aus S-Amerika).

Wie könnte man sich nun den Übergang vorstellen?
Vorschläge von
– W. Beebe (amerikanischer Zoologe): an Armen und Beinen befiedert, woraus sich erst später die Vogelflügel entwickelt hätten.
– von Nopska (1909-23) (Paläontologe): rennendes Reptil mit befiederten Armen, mit denen es flattert.
– Pycraft (englischer Zoologe 1910) und H. Steiner (zürcher Zoologe): Baumreptil, das zu kurzen Gleitflügen fähig ist.
Der dritte Vorschlag wird heute allgemein bevorzugt.

Frühere Urvögel aus China