Die Honigbiene (Apis mellifera)

Bienen als Sozialinsekten

Bienen gehören mit den Hummeln, Ameisen, einigen Wespen (alles Hymenoptera: Hautflügler) und den Termiten (Isoptera; den Schaben verwandt) zu den Sozialinsekten: sie bilden Staaten. Charakteristisch für staatenbildende Insekten ist die Arbeitsteilung, die Kastenbildung und die Tatsache, dass alle Individuen in einem Staat Nachkommen eines einzigen Weibchens, der Königin sind.
Im Bienenvolk gibt es folgende Kasten (äusserlich unterscheidbare Tiere mit verschiedenen Aufgaben):
– die Königin (1 pro Stock, weiblich)
– Arbeitsbienen (etwa 50’000, weiblich)
– Drohnen (einige hundert, männlich)

Das Bienenvolk

Ein Volk der Honigbiene besteht aus einer Bienenkönigin und rund 50’000 Arbeitsbienen.
Man erkennt die Königin, das einzige vollentwickelte Weibchen im Volk, am langen Hinterleib, der mit 2-3 Segmenten unter den Flügeln hervorschaut. Es sind die Eierstöcke, die den Hinterleib dehnen. Der Rüssel und die Einrichtungen zum Sammeln von Blütenstaub an den Hinterbeinen sind nur schwach ausgeprägt.
Bei den Arbeitsbienen sind die Flügel etwa gleich lang wie der Hinterleib, die Sammelorgane (Rüssel und Hinterbeine) sind gut ausgebildet. Arbeitsbienen sind Weibchen, deren Eierstöcke nicht ausgebildet sind.
Die Drohne ist die männliche Biene. Man erkennt sie an der breiten Brust und am breiten, runden Hinterleib, der oft von den Flügeln überragt wird. Die Facettenaugen sind sehr gross und berühren sich im Scheitel. Auch die Fühler sind stärker entwickelt. Sammeleinrichtungen fehlen. Machen ein brummendes Geräusch.

Die Königin ist die Mutter aller Bienen eines Volkes. Sie allein legt Eier, im Frühjahr etwa 2000 pro Tag, was ihrem eigenen Körpergewicht entspricht. Im Winter (zwischen Oktober und Februar) unterbricht sie das Eierlegen. Ausser dem Eierlegen verrichtet sie keine andere Arbeit, sie wird dauern von einer Bienenschar, dem Hofstaat, umgeben, beleckt und gefüttert.
Die Arbeitsbienen pflegen die Brut, sammeln Nektar und Blütenstaub als Nahrung, bereiten Honig und Wachs und bauen die Waben.
Die Drohnen verfolgen junge Königinnen auf ihrem Hochzeitsflug und begatten sie. Sie sind unfähig zur Futtersuche und müssen von den Arbeiterinnen gefüttert werden. Mitte Sommer werden sie in der sog. ”Drohnenschlacht” aus dem Stock gejagt.

Entwicklung der Arbeiterbiene, Königin und Drohne

Königin und Arbeiterinnen entstehen aus befruchteten Eiern, Drohnen aus unbefruchteten. Aus dem 1.5mm langen, schlanken Ei schlüpft nach drei Tagen eine fusslose Larve (Bienenmade). Sie liegt zuerst gekrümmt auf dem Grunde der Zelle (Rundmade), als alte Larve füllt sie in gestrecktem Zustand die ganze Zelle (Streckmade). Eine ausgewachsene Larve von 6 Tagen wiegt 5000mal mehr als im Moment des Schlüpfens. Dieses ausserordentliche Wachstum braucht eiweiss- und kohlenhydratreiche Nahrung, die für junge Larven aus Futtersaft, einer Ausscheidung der Futtersaftdrüsen der ”Ammen” besteht. Später werden Blütenstaub und Honig gefüttert. Larven, die zur Königin herangezogen werden, erhalten während der ganzen Zeit ausschliesslich Futtersaft. Ihre Entwicklung durchlaufen sie in nach unten zapfenartig verlängerten sogenannten Weiselzellen. Die reife Larve spinnt ihre Zelle zu und die Arbeiterinnen decken diese mit Wachs ab.

Die Entwicklung einer Arbeitsbiene vom Ei zur Imago:
Eistadium 3 Tage
Rundmade 5.5 Tage
Streckmade 2.5 Tage
Puppe 10 Tage
Die Entwicklung bis zur Imago dauert bei einer Arbeiterin 21 Tage, die der Königin geht schneller (16 Tage), die von Drohnen etwas langsamer (24 Tage).

Was arbeiten Arbeitsbienen?

Arbeitsbienen leben im Sommer ca. 30 Tage (im Spätherbst geborene überwintern). Im Laufe dieser Zeit erfüllen sie verschiedene Aufgaben, die mit ihrem physiologischen Zustand im Zusammenhang stehen. In zeitlicher Reihenfolge sind das:
– Putzdienst (jüngste Tiere)
– Ammentätigkeit: Futtersaftdrüsen sind voll entwickelt
– Bautätigkeit: Wachsdrüsen sind entwickelt
– Honigmachdienst
– Pollenstampfdienst
– Wächterdienst
– Ventilationsdienst
– Wassersammeldienst
– Sammeltätigkeit:
– Kundschafterdienst (älteste Tiere)
Das Kastensystem (und damit der physiologische Zustand) ist nicht fixiert: überwinternde (über 3 Monate alte) Arbeiterinnen können im Frühling den Ammendienst übernehmen und in den Futtersaftdrüsen Futtersaft produzieren.

Überwinterung eines Bienenvolkes

Das Bienenvolk überwintert als Ganzes. Anders als bei den kältestarren Ameisen wird der Stock auf 15-20°C gehalten. Die ”Heizenergie” stammt vom Honigvorrat (Imker verabreichen meist billigen Zucker), den die Bienen unter Wärmeproduktion verdauen. Ein Bienenvolk von 2kg Gewicht (ca. 20’000 Bienen) benötigt zur Überwinterung vom Oktober bis in den Mai 12 bis 15kg Honig. Des besseren Wärmehaushalts wegen schliessen sich die Bienen zur Wintertraube zusammen, indem sie die äusseren Waben verlassen. Schon im Februar beginnt die Königin mit Eierlegen, das Volk heizt die Brutwaben auf 32 bis 35°C und hält diese Temperatur bis in den Herbst.

Vermehrung der Staaten (Ausschwärmen)

Starke Völker ziehen im Frühling junge Königinnen nach. Vor deren Ausschlüpfen verlässt die alte Königin mit einem Teil der alten Bienen den Stock (Bienenschwarm). Sie versammeln sich einige Meter vor dem alten Stock zur Schwarmtraube und fliegen dann – wenn sie nicht vom Imker eingefangen wurden – geleitet von wegkundigen Kundschafterbienen in eine neue Unterkunft (Baumhöhle, leerer Bienenkasten).

Sammeln von Blütenstaub

Beim Blütenbesuch beisst die Sammelbiene die Staubbeutel auf und wälzt sich im Blütenstaub. In ihrem Pelz, den sie vorgängig mit erbrochenem Honig eingerieben hat, bleibt der Blütenstaub kleben. Nun bürstet sie mit den Beinen den Pelz, reibt die Beine aneinander und schiebt nach und nach den Blütenstaub auf die Bürsten der Hinterbeine. Beim Weiterflug reibt sie die Hinterbeine gegenseitig, wobei der Kamm des einen Beines die Bürste des anderen Beines auskämmt. So gelangt der Blütenstaub auf die Aussenseite des Kammes. Indem nun die Biene das Gelenk zwischen Schiene und Fuss bewegt, schiebt der Pollenschieber den Blütenstaub ins Körbchen. Die Mittelbeine drücken den Pollen fest, und dieser wird als ”Höschen” heimgetragen und als Futter für die Larven verwendet.

Sammeln von Nektar

Die Arbeitsbiene sammelt den Zuckersaft der Nektardrüsen in Blüten, Saft verletzter Früchte und die zuckerhaltigen Ausscheidungen von Blattläusen. Teile von Unterkiefer (1. Maxille) und Unterlippe (2. Maxille; siehe Mundwerkzeuge) bilden eine Saugröhre, worin die Zunge als Pinsel läuft. Bienen lecken und saugen.
Im Kropf (= Honigblase) wird der Nektar heimgetragen und anderen Bienen übergeben. Der lange haltbare Honig entsteht durch Eindicken dieses Nektarsaftes.

Das Bienenwachs und die Bienenwaben

Das Bienenwachs ist eine Ausscheidung besonderer Wachsdrüsen. Als dünne Plättchen tritt es zwischen den Bauchplatten (Sterniten) des Abdomens hervor. Mit den Mandibeln (Oberkiefern) wird das Wachs geknetet und zu wundervollen sechseckigen Wabenzellen geformt.
Die Sechseckform der Zellen spart Raum und Material, zudem sind alle Winkel grösser als 90° und somit günstig zum Reinigen. Damit der Honig nicht aus den Waben fliesst, sind die Zellen in einem Winkel von 13° nach innen geneigt.

Die Bienensprache: Rundtanz und Schwänzeltanz

Kehrt eine Sammelbiene von einer reichen Futterquelle zurück, tanzt sie erregt auf den senkrecht hängenden Waben im Stock, wobei andere Bienen ihr eifrig nachfolgen.
Man unterscheidet zwei Tanzformen: den Rundtanz für stocknahe Futterquellen und den Schwänzeltanz für solche, die über 10m vom Stock entfernt liegen. Beim Schwänzeltanz durchläuft die Biene immer eine kurze Strecke, während der sie den Hinterleib erregt hin und her bewegt (sie ”schwänzelt”). Diese Strecke gibt mit ihrem von der Vertikalen abweichenden Winkel die Abweichung der Fluglinie von der Linie Stock-Sonne an. Die Frequenz der Schwänzelläufe zeigt zudem die Entfernung der Futterquelle (Fu) vom Bienenstock (B) an. Die umstehenden Sammelbienen können aus den im Tanz verschlüsselten Angaben genau entnehmen, wohin sie zu fliegen haben. Ausserdem hat die heimgekehrte Sammelbiene den Geruch der Futterquelle mitgebracht und verteilt Nektar an die Stockgenossen.