Kambrische Explosion und Burgess-Shale-Fauna

Der Burgess-Schiefer, ein Fenster ins Kambrium

burgess shale

Ort: In Britisch-Kolumbien, Nähe Chicago, im Yoho National Park, in der Nähe der touristischen Zentren Banff und Lake Louise.

Datierung: Kambrium, vor etwa 530 Mio Jahren

Forscher: C.D. Walcott 1909-18, Harry Whittington 1966-78 und später

Fauna: Viele Bauplanvarianten, v.a. Spielereien zwischen Arthropoden, Anneliden und Chordaten bilden die Hauptmenge der Burgess shale.

Chengjiang-Faunengemeinschaft in der Provinz Yunnan, VR China

ChengjiangNeben dem Burgess-Schiefer in Britisch-Kolumbien wurde auch in China, nördlich des Fuxian Hu – Sees bei Chengjiang eine frühe kambrische Fauna gefunden. diese ist sogar noch älter als die Burgess-Shale-Fauna.

Standort:  24°42’44.54″N  102°53’1.49″E (nördlich des Fuxian Hu, in einer Konservatlagerstätte im Maotianshan-Schiefer der Yunnan-Provinz der Volksrepublik China)

Hier wurden 185 Arten gefunden.

Entdeckung und Erforschung der Burgess-Shale

Die ersten Fossilien aus dem unter Burgess Shale bekannten Fundort wurden im Herbst 1909 durch Charles D. Walcott entdeckt. Es wird erzählt, das er bei einem Ausflug mit seiner Familie war, als das Pferd seiner Frau strauchelte. Als er begann Steine die auf dem Weg lagen zu entfernen, entdeckte er das erste Fossil – eine Marella splendens, später „lace crab“ von Walcott genannt. Durch die Erhaltung des Stückes wurde Ihm klar, dass er etwas bisher Einmaliges entdeckt hatte – eine Fundstätte aus dem Kambrium mit Weichteilerhaltung.

Gezwungen durch Schnee und frühe Dunkelheit kehrte er aber nach Washington zurück und konnte erst im Jahre 1910 wieder zurückkehren. In den folgenden Jahren bis 1924 sammelte er mehr als 65.000 Fossilien aus dem nach Ihm benannten Walcott Quarry. Von den heute bekannten 170 Arten aus dem Burgess Shale Schiefer wurden über 100 erstmalig von Walcott beschrieben.

Der Fundort liegt malerisch inmitten des Yoho National Park in British Columbia, umgeben von mehreren Bergen wie der Mount Wapta, Mount Burgess und Mount Stehpen. Zu Füssen des Fundortes findet sich der Emerald Lake, die nächste Ortschaft, Field, ist in 11 km Entfernung. Der Yoho National Park wurde 1896 gegründet und liegt im westlichen Bereich der Rocky Mountains (British Columbia). Seit 1981 ist der Fundort unter dem Schutz der UNESCO World Heritage gestellt, wodurch ein Raubbau verhindert wird. So ist es nur Forschergruppen erlaubt aktiv Fossilien zu suchen.

Walcott benannte die dortige Fauna nach dem benachbarten Mount Burgess, heute wird der Begriff „Burgess Shale“ aber im weiteren Sinn für alle Fundstätten des Kambriums mit Weichteilerhaltung (wie z.B. in China) benutzt.
Eigentlich ist es erstaunlich, dass Walcott der erste war, dem diese Fossilien auffielen, denn die Wege in dieser Gegend waren schon zur Jahrhundertwende angelegt worden, und einige Trilobitenfundorte in der Nähe waren zu dieser Zeit wohlbekannt.

Die Revision durch Harry Whittington und Mitarbeiter

1966 begann Harry Whittington mit einer Crew von Paläontologen eine Revision des Fundmaterials aus der Burgess Shale. Sie machten dabei eine revolutionäre Entdeckung: Eine ganze Reihe dieser Fossilien konnten nicht in das Bekannte System der Tiere eingereiht werden, es waren einfach ganz andere Konstruktionen.

Einige Fehler von Walcott wurden während dieser Revision entdeckt und korrigiert. So waren die Greiforgane von Anomalocaris keine Garnelenschwänze, und die Qualle „Peytoia“ war das Gebiss von Anomalocaris.
Andere Fehler wurden neu gemacht: Hallucigenia läuft nicht auf den Stacheln, es sind Rückenstacheln.

Der Lebensraum: Leben am Abgrund

Die Tiere des Burgess Shale lebten, vor ca. 540 Millionen Jahren, in einem warmen flachen Gewässer am Rande eines grossen Riffes, das sogenannte „Cathedral Escarpment“. Zu der damaligen Zeit lag der Fundort auf der Höhe des Äquators, und Leben fand sich nur im Meer. Eine Vielzahl der Tiere lebten im oder auf dem Schlamm der sich am Meeresboden abgelagerte. Von Zeit zu Zeit kam es vor das ein Teil des Schlammes über die Riffkante abrutschte und so die Tiere mit in die Tiefe riss. Am unteren Ende des Riffes lagerte sich der Schlamm mit den Tieren ab und ist uns so erhalten. Vor etwa 175 Millionen Jahren begannen sich die Gebirge der Rocky Mountains aufzufalten und transportieren die Fossilien in die heutige Position.
Bei vielen Fossilien findet man einen dunklen Fleck, der als ausgequetschte Körperflüssigkeit interpretiert wird. Dies ist wohl auf die Überlagerung mit Schlamm und den so entstehenden Druck zurückzuführen. Die Umweltbedingungen am unteren Teil des Riffes waren wohl sehr lebensfeindlich, so das keine Aasfresser oder Bakterien die so abgelagerten Tiere fressen konnten, die uns nun in hervorragender Weichteilerhaltung vorliegen.

Einige Tiere des Burgess Shale Habitats

Marrella splendens

marrella   marrella 3

Das am häufigsten gefundene Fossil ist der Arthropode Marrella splendens, die „lace crab“ wie Walcott dieses Tier nannte. Über 15’000 Fossilien dieser Art wurden alleine im Walcott Quarry gefunden. Diese Tiere wurden nur selten grösser als 2 cm, die meisten sind um die 1 bis 1,5 cm gross. Marrella ernährte sich wahrscheinlich von organischem Material im Schlamm während es über diesen lief. Es stellt einen primitiven Vertreter der Artropoden dar, und könnte ein Vorfahre der Krebse oder der Spinnentiere gewesen sein.

Hallucigenia – zuerst stolzierte es auf den Stacheln…

hallucigenia  hallucigenia 2 korr 

Dieses wurmartige Wesen, Hallucigenia, hat durch die Rekonstruktionsversuche Geschichte geschrieben. Die ersten gefundenen Fossilien von Hallucigenia zeigten paarweise angeordnete Stacheln sowie oben eine Reihe von Tentakeln. Ebenso war es aufgrund der Fossilien nicht möglich zu sagen wo der Kopf dieses Tieres war, es war nur ein schwarzer Fleck an jedem Ende des Tieres zu erkennen. Die darauf resultierende Rekonstruktion ergab ein Tier welches auf den Stacheln lief. Die Tentakeln wurden sogar als Mäuler angesehen, und man kann erahnen wieso dieses Tier zu dem Namen Hallucigenia kam. Durch neue Funde in China wurde dieses Bild aber korrigiert, da sich die Tentakel als paarweise angeordnete Füsse herausstellten, und die Stacheln somit als Abwehr. Die ersten Rekonstruktionen beschrieben das Tier fälschlicherweise schlicht andersherum.

Anomalocaris canadensis

anomalocaris 1      anomalocaris 2

Das grösste aller gefundenen Tiere ist der räuberisch lebende Anomalocaris canadensis. Dieses Tier konnte bis zu einem Meter gross werden, für das Kambrium eine gigantische Grösse wenn man es mit den anderen Tieren vergleicht. Anomalocaris wurde erst sehr spät erkannt, obwohl Fossilien schon Walcott vorlagen. Dies lag darin, dass der Körper nach dem Tode des Tieres sehr leicht zerfallen ist, und so nur Teile gefunden wurden (siehe oben).

Opabinia

opabinia  opabinia 2

Von Opabinia liegen nur 10 Exemplare vor: ein zweiseitiges Tier mit Kopf, Schwanz und einem frontalen, biegsamen Rüssel, der nicht einziehbar zu sein scheint. Vier paarweise Augen auf dem Kopf und ein einzelnes zentrales. Ohne Mundgliedmassen. Der Rumpf besteht aus 15 Segmenten mit je paarigen Lappen, die wohl kiemenartige Strukturen enthalten. Ein Schwanz aus drei paarigen Schaufelblätern, die nach oben und aussen gerichtet sind.
Bei der wissenschaftlichen Präsentation dieser Rekonstruktion erntete Whittington nur Gelächter, so fremd erschien das Tier den Anwesenden.

Pikaia

picaia 1  pikaia 2

Gemäss heutigen Vorstellungen ist es wahrscheinlich, dass in der Burgess Shale Fauna bereits ein erster Vorläufer der Wirbeltiere zu finden ist: Pikaia wurde von Walcott noch als Annelid (Gliederwurm) interpretiert, weist aber typische Muskelbänder der Chordatiere auf. Ausserdem lässt sich eine Rückensaite (Chorda dorsalis) erkennen, welche der ganzen Gruppe der Chordatiere (zu denen wir letztendlich auch gehören) den Namen gibt.

Die Bedeutung der Fossilien von Burgess Shale

Durch die Fossilien von Burgess Shale bekommt man einen Eindruck wie reich an Arten das Leben im Kambrium schon war. Die vor dieser Entdeckung bekannten Fossilien waren allesamt nur durch Hartteile, wie Trilobitenpanzer, überliefert, ein sehr geringer Anteil an den eigentlich existierenden Lebewesen. Durch die Erhaltung und das Vorkommen ist es möglich einen Lebensraum sehr genau zu rekonstruieren, ein Lebensraum der vor über 500 Millionen Jahren existierte. Erstaunlich und von grosser Bedeutung ist, das die meisten Baupläne (Ausser die Wirbeltiere, die sich aber wahrscheinlich aus den damals bekannten Chordatieren wie Pikaia herleiten lassen) zu dieser Zeit schon vorhanden waren, und sich so Stammbäume vom Kambrium bis heute aufstellen lassen. Allerdings gibt es auch Tiere die sich nicht in heutige Gruppen einordnen lassen. Sicherlich ist Burgess Shale heute nicht mehr die einzige Fundstelle dieser Art, aber es ist die erste die entdeckt wurde. Heute werden Kambrische Fossilien mit Weichteilerhaltung in China, Grönland, Schweden und Australien gefunden, und es zeigt sich das die Tiere von Burgess Shale typisch sind für die Kambrischen Ozeane.

Tiere der Burgess-shale

Marrella splendens
marrella
Yohoia

Opabinia
Burgessia
Nectocaris
Odontogriphus
Dinomischus
Amiskwia
Hallucigenia
Branchiocaris
Canadapsis
Naraoia
Aysheaia
Odoraia
Sidneyia
Molaria
Habelia
Sarotrocerus
Leanchoilia einzigartiger Arthropode
Sanctacaris chelizerater Arthropode
Wiwaxia neuer Stamm polychäter Wurm
Anomalocaris neuer Stamm Brachiopoden-Krustazee
Pikaia Chordata „Wurm“

Marrella splendens

einzigartiger Arthropode
häufigster Organismus der Burgess-Fauna
ein Arthropode, der aus der Reihe fällt (kein Trilobit, kein Chelizerat, keine Crustaceae, kein Insekt)
Länge: 2.5-19mm
Aus dem schmalen Kopfschild ragen zwei Paar nach hinten gerichtete Stacheln hervor.
Hinter dem Kopf folgen 24-26 Körpersegmente, die jeweils ein Paar biramer (zweiästiger) Gliedmassen tragen, bestehend aus einem unteren Laufbein und einem oberen Zweig, der lange, zarte Kiemen trägt. Ein winziger Knopf (Telson) schliesst das hintere Ende ab.
Am Kopf findet man nur zwei Gliedmassenpaare, beide präoral (vor dem Mund): die langen, vielgliedrigen ersten Antennen und ein Paar kürzerer, kräftigerer zweiter Antennen, bestehend aus sechs Segmenten, von denen mehrere mit Haaren (Setae) bedeckt waren.

Yohoia

einzigartiger Arthropode
zweithäufigster Organismus der Burgess-Fauna
ein merkwürdiger Arthropode

Opabinia

einzigartiger Arthropode

Burgessia
einzigartiger Arthropode

Nectocaris
neuer Stamm

Odontogriphus
neuer Stamm

Dinomischus
neuer Stamm

Amiskwia
neuer Stamm

Hallucigenia
neuer Stamm

Branchiocaris
einzigartiger Arthropode

Canadapsis
Malakostraka

Naraoia
Aysheaia
Odoraia
Sidneyia
Molaria
Habelia
Sarotrocerus
Leanchoilia
Sanctacaris
Wiwaxia
Anomalocaris

Bemerkungen

Eigenarten der Burgess-Fauna: Fast keine Jungtiere vorhanden.